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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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großen Hannibal auf Herz und Nieren zu prüfen, und so stiegen wir denn in Nähe des Sees aus, an einer kleinen Station, die, glaub’ ich, Borghetto-Tuoro heißt. Es war auch für einen Laien über Erwarten interessant, und selbst ich, die ich sonst gar keinen Sinn für derlei Dinge habe, verstand alles und fand mich leicht in jeglichem zurecht. Ja, ich hatte das Gefühl, daß ich in diesem hochgelegenen Engpaß ebenfalls über die Römer gesiegt haben würde. Der See hat viele Zu- und Abflüsse. Einer dieser Abflüsse (mehr Kanal als Fluß) nennt sich der ›Emissarius‹ was mich sehr erheiterte. Noch interessanter aber erschien mir ein anderer Flußlauf, der, weil er am Schlachttage von Blut sich rötete, der ›Sanguinetto‹ heißt. Das Diminutiv steigert hier ganz entschieden die Wirkung. Der See ist übrigens sehr groß, zehn Meilen Umfang, und dabei flach, weshalb der erste Napoleon ihn auspumpen lassen wollte. Da hätte sich dann ein neues Herzogtum gründen lassen…«
    »Schau, schau«, sagte der alte Dubslav, »wer der blassen Komtesse das zugetraut hätte! Ja, reisen und in den Krieg ziehen, da lernt man, da wird man anders.«
    Und er legte den Brief beiseite.
    Zugleich aber war ein stilles Behagen über ihn gekommen, und er überdachte, wie manche Freude das Leben doch immer noch habe. Vor ihm, in den Parkbäumen, schlugen die Vögel, und ein Buchfink kam bis auf den Tisch und sah ihn an, ganz ohne Scheu. Das tat ihm ungemein wohl. »Etwas ganz besonders Schönes im Leben ist doch das Vertrauen, und wenn’s auch bloß ein Piepvogel is, der’s einem entgegenbringt. Einige haben eine schwarze Milz und sagen: alles sei von Anfang an auf Mord und Totschlag gestellt. Ich kann es aber nicht finden.«
    Engelke kam, um abzuräumen. »Is ein schöner Tag heut’«, sagte Dubslav, »und die Krokusse kommen auch schon raus. Eigentlich hab’ ich nicht geglaubt, daß ich so was Hübsches noch mal sehen würde. Und wenn ich dann denke, daß ich das alles der Buschen verdanke! Merkwürdige Welt! Sponholz hatte bloß immer seine grünen Tropfen, und Moscheles hatte nichts als seinen ewigen Torgelow, und nu kommt die Buschen, und mit einem Male is es besser. Ja, wirklich merkwürdig. Und nu krieg’ ich auch noch, wenn auch bloß leihweise, solchen hübschen Brief von einer hübschen jungen Frau. Noch dazu Schwiegertochter. Ja, Engelke, so geht’s; nich zu glauben. Und da hättest du vorhin den Buchfinken sehen sollen, wie mich der ansah. Bloß als du kamst, da flog er weg; er muß sich vor dir gegrault haben.«
    »Ach, gnädiger Herr, vor mir grault sich keine Kreatur.«
    »Will dir’s glauben. Und du sollst sehn, heute haben wir ‘nen guten Tag, und es kommt auch noch wer, an dem man sich freuen kann. Wie mir schlecht war, da kam Koseleger und die Prinzessin. Aber heute kam ein Buchfink. Und ich bin ganz sicher, der hat noch ein Gefolge.«
    Dubslavs Ahnungen behielten recht; und als der Nachmittag da war, kam Lorenzen, der sich, seitdem der Alte seinen Katzenpfötchentee trank, nur selten und immer bloß flüchtig hatte sehen lassen. Aber das war rein zufällig und sollte nicht eine Mißbilligung darüber ausdrücken, daß sich der Alte bei der Buschen in die Kur gegeben.
    »Nun endlich«, empfing ihn Dubslav, als Lorenzen eintrat. »Wo bleiben Sie? Da heißt es immer, wir Junker wären kleine Könige. Ja, wer’s glaubt! Alle kleinen Könige haben ein Cortege, das sich in Huldigungen und Purzelbäumen überschlägt. Aber von solchem Gefolge habe ich noch nicht viel gesehen. Baruch ist freilich hier gewesen und dann Koseleger und dann die Prinzessin, aber der, der so halb ex officio kommen sollte, der kommt nicht und schickt höchstens mal die Kulicke oder die Elfriede mit ‘ner Anfrage. Sterben und verderben kann man. Und das heißt dann Seelsorge.«
    Lorenzen lächelte. »Herr von Stechlin, Ihre Seele macht mir, trotz dieser meiner Vernachlässigung, keine Sorge, denn sie zählt zu denen, die jeder Spezialempfehlung entbehren können. Lassen Sie mich sehr menschlich, ja für einen Pfarrer beinah lästerlich sprechen. Aber ich muß es. Ich lebe nämlich der Überzeugung, der liebe Gott, wenn es mal soweit ist, freut sich, Sie wiederzusehen. Ich sage, wenn es soweit ist. Aber es ist noch nicht soweit.«
    »Ich weiß nicht, Lorenzen, ob Sie recht haben. Jedenfalls aber befind’ ich mich in meinem derzeitig erträglichen Zustande nur mit Hilfe der Buschen, und ob mich das nach obenhin besonders empfehlen kann,

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