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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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ist mir zweifelhaft. Aber lassen wir die heikle Frage. Erzählen Sie mir lieber etwas recht Hübsches und Heiteres, auch wenn es nebenher etwas ganz Altes ist, etwa das, was man früher Miszellen nannte. Das ist mir immer das Liebste gewesen und ist es noch. Was ich da so in den Zeitungen lese, voran das Politische, das weiß ich schon immer alles, und was ich von Engelke höre, das weiß ich auch. Beiläufig - natürlich nur vom alleregoistischsten Zeitungsleserstandpunkt aus - ein wahres Glück, daß es Unglücksfälle gibt, sonst hätte man von der Zeitungslektüre so gut wie gar nichts. Aber Sie, Sie lesen auch sonst noch allerlei, mitunter sogar Gutes (freilich nur selten), und haben ein wundervolles Gedächtnis für Räubergeschichten und Anekdoten aus allen fünf Weltteilen. Außerdem sind Sie Fridericus-Rex-Mann, was ich Ihnen eigentlich am höchsten anrechne, denn die Fridericus-Rex-Leute, die haben alle Herz und Verstand auf dem rechten Fleck. Also suchen Sie nach irgendwas der Art, nach einer alten Zieten- oder Blücheranekdote, kann meinetwegen auch Wrangel sein - ich bin dankbar für alles. Je schlechter es einem geht, je schöner kommt einem so was kavalleristisch Frisches und Übermütiges vor. Ich spiele mich persönlich nicht auf Heldentum aus, Renommieren ist ein elendes Handwerk; aber das darf ich sagen: ich liebe das Heldische. Und Gott sei Dank kommt dergleichen immer noch vor.«
    »Gewiß kommt so was immer noch vor. Aber, Herr von Stechlin, all dies Heldische…«
    »Nun aber, Lorenzen, Sie werden doch nicht gegen das Heldische sein? Soweit sind Sie doch noch nicht! Und wenn es wäre, da würd’ ich ernstlich böse.«
    »Das läßt Ihre Güte nicht zu.«
    »Sie wollen mich einfangen. Aber diesmal glückt es nicht. Was haben Sie gegen das Heldische?«
    »Nichts, Herr von Stechlin, gar nichts. Im Gegenteil. Heldentum ist gut und groß. Und unter Umständen ist es das Allergrößte. Lasse mir also den Heroenkultus durchaus gefallen, das heißt, den echten und rechten. Aber was Sie da von mir hören wollen, das ist, Verzeihung für das Wort, ein Heldentum zweiter Güte. Mein Heldentum - soll heißen, was ich für Heldentum halte -, das ist nicht auf dem Schlachtfelde zu Hause, das hat keine Zeugen oder doch immer nur solche, die mit zugrunde gehn. Alles vollzieht sich stumm, einsam, weltabgewandt. Wenigstens als Regel. Aber freilich, wenn die Welt dann ausnahmsweise davon hört, dann horch’ ich mit auf, und mit gespitzterem Ohr, wie ein Kavalleriepferd, das die Trompete hört.«
    »Gut. Meinetwegen. Aber Beispiele.«
    »Kann ich geben. Da sind zunächst die fanatischen Erfinder, die nicht ablassen von ihrem Ziel, unbekümmert darum, ob ein Blitz sie niederschlägt oder eine Explosion sie in die Luft schleudert; da sind des weiteren die großen Kletterer und Steiger, sei’s in die Höh’, sei’s in die Tiefe, da sind zum dritten die, die den Meeresgrund absuchen wie ‘ne Wiese, und da sind endlich die Weltteildurchquerer und die Nordpolfahrer.«
    »Ach, der ewige Nansen. Nansen, der, weil er die diesseits verlorene Hose jenseits in Grönland wiederfand, auf den Gedanken kam: ›Was die Hose kann, kann ich auch.‹ Und daraufhin fuhr er über den Pol. Oder wollte wenigstens.«
    Lorenzen nickte.
    »Nun ja, das war klug gedacht. Und daß dieser Nansen sich an die Sache ranmachte, das respektier’ ich, auch wenn schließlich nichts draus wurde. Bleibt immer noch ein Bravourstück. Gewiß, da sitzt nu so wer im Eise, sieht nichts, hört nichts, und wenn wer kommt, ist es höchstens ein Eisbär. Indessen, er freut sich doch, weil es wenigstens was Lebendiges ist. Ich darf sagen, ich hab’ einen Sinn für dergleichen. Aber trotzdem, Lorenzen, die Garde bei St. Privat ist doch mehr.«
    »Ich weiß nicht, Herr von Stechlin. Echtes Heldentum, oder um’s noch einmal einzuschränken, ein solches, das mich persönlich hinreißen soll, steht immer im Dienst einer Eigenidee, eines allereigensten Entschlusses. Auch dann noch (ja mitunter dann erst recht), wenn dieser Entschluß schon das Verbrechen streift. Oder, was fast noch schlimmer, das Häßliche. Kennen Sie den Cooperschen ›Spy‹? Da haben Sie den Spion als Helden. Mit andern Worten, ein Niedrigstes als Höchstes. Die Gesinnung entscheidet. Das steht mir fest. Aber es gibt der Beispiele noch andere, noch bessere!«
    »Da bin ich neugierig«, sagte Dubslav. »Also wenn’s sein kann: Name.«
    »Name: Greeley, Leutnant Greeley; Yankee pur sang.

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