Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
wünschte. Ihre Erwiderungen waren kühl und einsilbig, und sie sah ihn nicht an. Gareth schloss daraus, dass sie die Sprache der Menschen nicht beherrschte. Kein Wunder, dass das Gespräch sie langweilte. Aber sie wirkte keineswegs gelangweilt. Sie sah aus wie ein Tier in der Falle.
Andere kamen und zogen die Aufmerksamkeit des Königs auf sich. Helmos musste seinem Vater zur Seite stehen. Dagnarus gelang es mit bemerkenswertem Takt, sich zwischen das elfische Paar und den König zu drängen, sodass sie nun eine kleine Gruppe für sich bildeten. Gareth schloss sich auf einen herrischen Blick von Dagnarus hin dieser Gruppe an, und er wunderte sich. Dagnarus hatte bislang nie das geringste Interesse an Elfen gezeigt, es sei denn, wenn er sie als Gegner auf dem Schlachtfeld traf. Nun aber strengte er sich gewaltig an, liebenswert zu sein. Er sprach mit dem Botschafter, aber sein Blick wanderte immer wieder zu der Dame hin, und plötzlich verstand Gareth und kam sich ausgesprochen dumm vor, weil er zuvor nicht an eine solche Möglichkeit gedacht hatte.
Er war entsetzt. Dagnarus erzählte Gareth nie von seinen Affären. Gareth hatte gleich zu Beginn der sexuellen Abenteuer seines Freundes (als beide fünfzehn waren) deutlich gemacht, dass er daran nicht interessiert war und nichts darüber hören wollte. Gareth selbst hatte ein paar zögernde Vorstöße in die Welt der Liebe unternommen, nur um sich bemitleidet und abgewiesen zu finden. Dann hatte er sein gezeichnetes Gesicht für immer von der Liebe abgewandt. Er zahlte für die Befriedigung seiner körperlichen Bedürfnisse und hatte in einem etablierten Haus eine ältere, angenehme Hure gefunden, die ihn, falls überhaupt, wenigstens nur hinter seinem Rücken verspottete. Gareth hatte sich darauf verlassen, dass sein Freund vernünftig genug wäre, sich von den Damen des Hofs fern zu halten, es sei denn, er wollte tatsächlich eine von ihnen heiraten. Und nun fand er ihn in eine Elfenfrau verliebt, die noch dazu adlig und verheiratet war. Nichts konnte unangemessener, nichts gefährlicher sein.
Und das, so wurde Gareth verzweifelt klar, war etwas, was Dagnarus' Begierde nur noch steigern würde.
»Es scheint Eurer Gemahlin hier nicht zu gefallen«, meinte Dagnarus. »Sie muss uns für ausgesprochene Tölpel halten.«
»Ganz im Gegenteil, Euer Hoheit«, erwiderte Lord Mabreton mit einem weiteren dieser liebevollen, ängstlichen Blicke auf seine Frau. »Lady Mabreton versteht nur die Sprache der Menschen nicht und findet solche Zusammenkünfte daher ein wenig anstrengend. Sie versucht, ihre Kenntnisse zu verbessern, aber das wird selbstverständlich Zeit brauchen.«
Gareth, der die Dame nun näher beobachtete, bemerkte ein Glitzern in den blauen Augen und eine rosige Tönung der Wangen, woraus er entnahm, dass die Dame viel mehr verstand, als sie eingestehen wollte. Sie war wahrscheinlich zu stolz, um zuzugeben, dass sie die Menschensprache verstand, die von den Elfen im Allgemeinen als unschön und primitiv betrachtet wurde.
»Meine verehrte Mutter, die Königin, macht sich große Sorgen um Eure Gemahlin«, sagte Dagnarus. Er griff in einen edelsteinbesetzten Beutel, den er am Gürtel trug, und holte ein kleines Bündel heraus, das in schwarzen Samtbrokat eingewickelt und mit einem lila Seidenband gebunden war. »Ich habe mir daher die Freiheit genommen, ein Geschenk zu erwerben, von dem meine Mutter glaubt, dass es helfen könnte, Eurer Gemahlin deutlich zu machen, wie sehr wir ihre Anwesenheit hier schätzen. Wäret Ihr so freundlich, es ihr zu überreichen, Lord Mabreton?«
Dagnarus reichte dem Lord das kleine Bündel mit einer anmutigen Verbeugung. Er vermied es, auch nur einen einzigen Blick auf die Dame selbst zu werfen.
»Das ist sehr freundlich von Ihrer Majestät, Euer Hoheit«, erwiderte Lord Mabreton sichtlich erfreut. »Ihr müsst es ihr selbst übergeben. Meine Liebe«, sagte er zärtlich und ging zur Elfensprache über, »der Prinz hat ein Geschenk für dich. Du würdest mich ausgesprochen glücklich machen, wenn du es annehmen würdest.«
Lady Mabreton wandte sich von dem Steinlicht ab und blickte Dagnarus direkt an. Nichts an ihrer Miene änderte sich. Ihre Augen waren ruhig und still wie ein Zierteich. Sie verbeugte sich auf elfische Art vor ihm, aber sie machte keinerlei Anstalten, das Geschenk anzunehmen.
Dagnarus errötete. Er war nicht daran gewöhnt, so behandelt zu werden. Allerdings schien ihn ihr offensichtliches Desinteresse nicht
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