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Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis

Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis

Titel: Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis
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dabei, also bestand diese Versuchung nicht, obwohl er sich zusammennehmen musste, um nicht den Ärmel vor den Mund zu halten. Er atmete so flach wie möglich und hoffte, sich dadurch vor Ansteckung zu schützen.
    »Wie könnt Ihr das nur ertragen?«, fragte er die junge Frau an seiner Seite leise.
    »Ihr meint den Anblick von so viel Leid?«, fragte sie und sah ihn freundlich an.
    Nein, das hatte er nicht gemeint – er hatte sich gefragt, wie sie den Gestank nach Erbrochenem, den Geruch nach Krankheit und die Gefahr, sich anzustecken, aushalten konnte. Das hatte er gemeint. Aber er verbesserte sie nicht.
    »Es ist schwer, besonders am Anfang«, gab sie zu. »Aber was ist mein Unbehagen verglichen mit ihrem Schmerz? Nichts. Und Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie zufrieden es einen macht, anderen zu helfen, gegen eine schreckliche Krankheit anzukämpfen und zu sehen, wie es den Patienten Tag für Tag besser geht, zu sehen, wie eine Mutter zu ihren Kindern, ein Kind zu seinen Eltern zurückkehren kann.«
    »Aber manchmal verliert Ihr den Kampf auch«, sagte Dagnarus in dem Versuch, sich abzulenken, denn er fürchtete, sich schon von dem Geruch übergeben zu müssen. Lavendel und Salbei nützten nicht viel.
    »Ja, manchmal sterben unsere Patienten«, antwortete sie mit fester Stimme. »Und obwohl es traurig ist, sie gehen zu sehen – besonders für ihre Hinterbliebenen –, ist ihr Tod dennoch nicht so schrecklich, wie Ihr es Euch vielleicht vorstellt. Wir tun alles, was wir können, um es ihnen bequem zu machen und damit ihr Ende so friedlich wie möglich ist. Wenn sie gehen, finden sie Freiheit von ihren Schmerzen und ihrem Leiden. Ich habe viele gesehen, die vom Ufer dieses Lebens aus schon das nächste erkennen konnten. Alle sprechen von der Schönheit und dem Gefühl, von etwas Großem und Gutem geliebt zu werden. Manchmal weinen jene, die aus irgendeinem Grund dem abgelegenen Ufer nahe kommen, aber dann dem Tod entgehen und zu uns zurückkehren, vor Kummer, dass man ihnen die Überquerung nicht gestattet hat.«
    Dagnarus sagte nichts, was die Illusionen der jungen Frau zerstört hätte. Er hatte den Tod auf dem Schlachtfeld gesehen und nichts als einen leeren Abgrund erblickt, in den die Seele taumelte, um von der Dunkelheit verschlungen zu werden. Er fragte sich, welche Kräuter man den Sterbenden verabreichte, um ihnen solch angenehme Illusionen zu verschaffen.
    »Nun«, meinte er in der Hoffnung, einen Patienten zu finden, der nicht an etwas Ansteckendem litt, »dann gebt mir einen Lappen und einen Eimer Wasser, und ich werde mich an die Arbeit machen, diesen Menschen das Leiden zu erleichtern.«
    »Aber Ihr werdet nicht hier arbeiten, Euer Hoheit«, sagte Lord Altura ernst. »Die Unheilbaren sind nicht in diesem Zimmer.«
    »Die Leere soll Euch verschlingen«, murmelte Dagnarus, der Lord Altura in diesem Augenblick gern zu den Unheilbaren verfrachtet hätte.
    Die feierliche Prozession zog weiter, lange Flure entlang zu dem Gebäude, das vom Rest abgeschlossen war. Die junge Frau blieb zurück, denn sie war, wie sie sagte, in ihren Studien noch nicht weit genug fortgeschritten, um das Recht zu haben, diesen Teil des Hospitals zu betreten. Dagnarus bemerkte, wie enttäuscht sie darüber war, und fragte sich, ob sie den Verstand verloren hatte.
    Er benutzte den langen Weg über die überwiegend leeren Korridore dazu, sich zu überlegen, wie er dieser lästigen und gefährlichen Prüfung entgehen könnte, ohne seiner Sache irreparablen Schaden zuzufügen. Als sie ihrem Ziel näher kamen, konnten sie alle die Schreie hören – schreckliche Schreie und wilde, unverständliche Rufe. Dagnarus' Magen zog sich zusammen; er konnte kaum mehr atmen. Er dachte zum ersten Mal daran, aufzugeben und sein Ziel nicht zu erreichen.
    Er erlaubte sich, sich auszumalen, wie er sich umdrehte und floh?! Er wusste, dass ihn dies für den Rest seines Lebens als Feigling brandmarken würde. Die Soldaten, die unter ihm dienten und die ihn nun bewunderten, würden ihn verspotten. Sie würden mit Recht behaupten, sein Bruder hätte sich dieser Prüfung unterzogen und sie bestanden, und zwar mit großem Mut. Dagnarus durfte nicht weniger tun als das.
    Er biss die Zähne zusammen und ging weiter.
    Eine fest verschlossene Tür wurde auf Lord Alturas Klopfen hin geöffnet. Einer der Heiler, ein gut aussehender Mann Ende dreißig mit einem liebenswerten Lächeln begrüßte sie.
    »Euer Hoheit«, sagte er, »wir haben Euch erwartet. Bitte

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