Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
dafür aber recht heimtückisch«, erklärte der Schild. »Wenn Tamaros glaubt, dass ein Krieg unter den Elfen Vinnengael bedrohen könnte – wenn er zum Beispiel annimmt, ich hätte Interesse am Portal, weil ich es benutzen will, um Soldaten hindurchzuschicken, die ihn angreifen –, dann wird er keine andere Wahl haben, als seine Leute zu entsenden, um den Eingang zu bewachen. Wenn man Euch und mir und den anderen Mitgliedern des Hauses Kinnoth den Zugang verweigert, wenn unsere Kaufleute nicht mehr nach Vinnengael reisen können und unsere Truhen sich leeren, dann kann uns der Göttliche, ohne das Gesicht zu verlieren, erklären, dass es die Menschen sind, die versuchen, uns zu schwächen.«
»Will der Göttliche einen Krieg mit den Menschen, Herr?«
»Er sähe es gern, wenn zwischen den Menschen und dem Haus Kinnoth ein Krieg ausbräche, Geringerer Wächter. Wenn unser Haus erst geschädigt wäre, könnte er sich die Macht aneignen, die wir derzeit innehaben.«
»Und wie kommt er darauf, dass eine menschliche Armee zwischen unseren beiden Häusern unterscheiden würde?«
»Genau«, erwiderte der Schild. »Menschen sind wie Flöhe. Wenn sie erst einmal hier sind, werden wir sie nur schwer wieder los. Dem Göttlichen ist das nicht klar. Er kann nicht über seine eigene Nasenspitze hinweg sehen.«
»Was genau erwartet Ihr von mir, Herr?«, fragte Silwyth, und er bemerkte, dass ihm vor Aufregung das Blut in den Ohren rauschte.
»Ihr habt selbstverständlich keinen offiziellen Rang. Ihr reist als Gelehrter, und als solcher werdet Ihr Euch bei Hofe vorstellen. Tamaros ist selbst ein Gelehrter. Er wird sich Eurer annehmen und Euch Zugang zu seiner großen Bibliothek gewähren, die sich im Schloss befindet. Seht zu, Silwyth, dass er Euch als guten Gesellschafter zu schätzen lernt; verdient Euch sein Vertrauen. Und sollte sich jemals eine Gelegenheit ergeben, Euch in den Haushalt des Königs einzuschmeicheln, dann ergreift sie mit beiden Händen. Auf diese Weise könnt Ihr mich jederzeit über das auf dem Laufenden halten, was die Berater des Göttlichen tun und sagen, und mit ein wenig Glück und Geschicklichkeit werdet Ihr imstande sein, ihre Absichten zu vereiteln.«
»Ich glaube nicht, dass ich je imstande sein werde, meiner Freude über Euer Vertrauen angemessen Ausdruck zu verleihen, Herr«, erklärte Silwyth, erhob sich und verbeugte sich dann so tief, dass seine Stirn beinahe seine Knie berührte.
»Ja, ich sehe, dass Eure Freude wie ein Heilmittel wirkt. Der verrenkte Knöchel zumindest scheint geheilt zu sein.« Der Schild lächelte jetzt ganz offen. Er stand auf und streckte die Hand aus. »Kommt, Geringerer Wächter. Ich glaube, der Knöchel schmerzt noch gewaltig. Ich werde Euch zum Haus begleiten. Ich fürchte, Ihr werdet noch ein paar Tage hinken müssen.«
»Ihr habt Recht, Herr. Die Schmerzen sind kaum zu ertragen. Ich danke Euer Lordschaft für Eure Hilfe.«
Gestützt auf den Schild, hinkte der Geringere Wächter durch den Garten und ins Haus, wo ihn die Gattin des Schildes ehrte, indem sie ihm eine Schlafrolle für die Nacht aushändigte.
Auch am nächsten Tag, als Silwyth sich Lord Mabreton und Lady Valura am Eingang des Portals, das nach Vinnengael führte, anschloss, hinkte er noch.
Unterricht
Das Leben im Palast unterschied sich sehr von dem, das Gareth zuvor gekannt hatte – einem Leben, das er zum größten Teil damit zugebracht hatte, in den leeren Zimmern des Landhauses seiner Eltern umherzustreifen und neidisch aus dem Fenster zu schauen, um die Bauernkinder beim Spielen zu beobachten, oder seiner Kinderfrau Stränge von Garn zu halten, die sie zu großen Knäueln aufwickelte. Wochen vergingen, während Gareth versuchte, sich den veränderten Umständen anzupassen. Seine Probleme wurden dadurch vergrößert, dass sich niemand die Zeit nahm, ihm zu erklären, was man von ihm erwartete. Man setzte voraus, dass er es einfach aufnahm wie eine Pflanze das Sonnenlicht.
Die Schläge, die er erhielt, wurden ihm daher um seiner selbst willen verabreicht und nicht wegen irgendwelcher Untaten seines Herrn. Tatsächlich benahm sich Dagnarus – normalerweise ein mürrischer und rebellischer Schüler – in den ersten Tagen nach Gareths Eintreffen so gut, dass Evaristo, der leidgeprüfte Lehrer des Prinzen, voller Stolz annahm, seine Idee, einen Prügelknaben an den Hof zu holen, sei ein großer Erfolg gewesen. Dagnarus' Benehmen war besser geworden, weil er nicht wollte, dass seinem neuen
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