Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
Worte zu formen, die die Menschen benutzen, und die Kehlen der meisten Menschen können die Taan-Laute nicht hervorbringen. Die Gemeinsame Sprache ist die Sprache unseres Gottes und die Sprache vieler Menschen, die für ihn kämpfen. Daher muss es solche geben wie uns, die die Worte von einer Gruppe zur anderen tragen können, damit wir einander verstehen.«
Ein Gott, der die Gemeinsame Sprache sprach. Rabe dachte darüber nach. Er hatte noch nie einen Gedanken daran verschwendet, welche Sprache die Götter benutzten. Wahrscheinlich hatte er immer angenommen, dass sie überhaupt nicht zu reden brauchten. Sie konnten die Worte des Herzens hören, die Lieder der Seele. Sie machten ihren Willen durch das Flüstern des Windes und das Dröhnen des Donners deutlich. Ein Gott, der sprach wie ein Mensch, war nach Rabes Ansicht nichts Besonderes. Aber er äußerte das nicht, denn er befürchtete, das Mädchen zu beleidigen. Er war froh, jemanden gefunden zu haben, der ihm ein paar Hinweise liefern konnte.
»Was wird mit mir passieren, Dur-zor?«, fragte er.
»Du wirst zusammen mit den anderen wertvollen Sklaven unserem Gott übergeben. Im Austausch für dich wird unser Gott Qu-tok viele wunderbare Geschenke geben, die ihm im Stamm eine bessere Stellung verschaffen. Deshalb hat man dich nicht umgebracht, zumindest noch nicht.« Das Letzte sagte sie ganz beiläufig.
»Wann wird das geschehen?«, erkundigte sich Rabe, denn er fürchtete, es könnte jeden Augenblick soweit sein, bevor er die Gelegenheit hatte, sich zu rächen.
»Wann immer unser Schamane entscheidet, wir sollten einen guten Tag feiern. An einem solchen Tag ehren wir unseren Gott, und wenn wir Glück haben, erscheint er unter uns. Und dann wird Qu-tok dich unserem Gott vorführen.«
»Wann wird dieser Gottestag sein? Bald?«, wollte Rabe wissen.
Das Mädchen zuckte die Achseln. »Vielleicht bald. Vielleicht dauert es noch lange. Das ist Sache der Schamanen.«
Rabe fühlte sich ein wenig erleichtert. Offensichtlich hatte er noch Zeit. »Was ist mit den anderen?« Er schaute zu dem Speerkreis und den darin gefangenen Dunkarganern hin. Das vergewaltigte Mädchen lag mit dem Kopf im Schoß einer anderen Frau und schluchzte laut.
»Die Frauen werden Sklaven im Lager sein und weitere Halbtaan zur Welt bringen, denn das gefällt unserem Gott. Die Männer werden zum Sport benutzt, und wenn sie gut sterben, werden die Taan sie ehren, indem sie sie essen. Wenn sie nicht gut sterben, wird man sie an die Hunde verfüttern.«
Rabe dachte darüber nach. »Was ist mit deiner Mutter, Durzor? Lebt sie noch?«
»Nein, aber sie lebte länger als die meisten.« Das Mädchen war von Stolz erfüllt. »Sie war stark und brachte viele Halbtaans zur Welt, obwohl die meisten Frauen beim ersten sterben. Sie wurde getötet, als ich acht war, weil sie respektlos zu einem Krieger sprach. Er hat ihr den Schädel eingeschlagen.«
Eine Stimme aus dem Lager rief etwas Unverständliches. Dur-zor schaute zurück. Angst zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, als sie rasch auf die Beine kam. Ohne ein weiteres Wort rannte sie davon. Als sie das Lager erreichte, warf sie sich vor einem Taan-Krieger nieder. Rabe erkannte Qu-tok, den Krieger, der ihn gefangen genommen hatte. Qu-tok schlug das Mädchen ins Gesicht, offenbar, weil sie nicht schnell genug reagiert hatte. Sie nahm den Schlag entgegen, ohne mit der Wimper zu zucken, als wäre das selbstverständlich.
Qu-tok wies mit dem Daumen auf Rabe. Die Antwort des Mädchens stellte ihn offenbar zufrieden, denn er schaute in Rabes Richtung, grinste höhnisch und entblößte die spitzen Zähne. Dann ging er wieder zu seinem Zelt. Rabe verlor das Mädchen aus den Augen, als sich eine Menge von Taan und Halbtaan vor sie drängte. Aber als sie sich umgedreht hatte, hatte er die Spur von Peitschenhieben auf ihrem Rücken bemerkt.
Einer der dunkarganischen Soldaten rief Rabe etwas zu, aber der Trevinici achtete nicht darauf. Rabe konnte ihm ohnehin nicht helfen. Diese Menschen taten ihm Leid, aber sie gingen ihn nichts an. Er legte sich auf den Boden und versuchte, eine möglichst bequeme Stellung zu finden, was mit dem Eisenkragen um den Hals nicht einfach war.
Sein Bauch war voll, sein Durst gestillt. Nun musste er sich ausruhen. Er hatte nur ein Ziel, und das bestand darin, diesen Qu-tok zu töten, den Taan, der ihm diese Schande bereitet hatte. Um das zu erreichen, musste Rabe überleben, und darauf konzentrierte er sich jetzt – aufs
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