Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
er dachte. »Sklaven wie du erhalten kein starkes Essen. Sklaven essen schwaches Essen. Nur die Krieger essen starkes Essen. Qu-tok hätte dich gegessen – «, sie sprach eilig, als fürchtete sie, Rabe zu beleidigen – »weil du ihn im Kampf besiegt hast. Aber Du bist zu wertvoll. Unser Gott wäre zornig.«
Sie stellte die Schale und den Eimer auf den Boden, so dass Rabe sie erreichen konnte, und achtete darauf, ihm nicht zu nahe zu kommen.
»Wasser«, sagte sie und zeigte auf den Eimer.
»Warte«, sagte Rabe. Sein Kopf schmerzte, und seine Zunge fühlte sich dick und geschwollen an. »Geh nicht.« Der Eimer war aus Holz. Er griff nach dem Schöpflöffel und zuckte vor Schmerz zusammen. Das Mädchen blieb und beobachtete ihn. Er hob den Schöpflöffel, der aus einer Kürbishälfte hergestellt war, schnupperte an der Flüssigkeit, und schmeckte zögernd. Das Wasser war lauwarm, aber er konnte keinen seltsamen Geschmack oder Geruch außer dem des Holzeimers feststellen. Er trank dankbar und in großen Schlucken. Als sein Durst gestillt war, schob das Mädchen ihm die Schale mit dem Eintopf hin. »Meine Götter wären zornig, wenn ich Menschenfleisch äße«, sagte er.
»Ich weiß«, meinte das Mädchen, nickte und hockte sich wieder neben ihn. »Meine Mutter hat mir erzählt, dass Menschen keinen ihrer eigenen Art essen, ganz gleich, wie stark das Essen ist. Die Taan halten das für ein Zeichen von Schwäche und verachten die Menschen dafür. Aber unser Gott sagt, wir müssen diesen Glauben der Menschen achten, also tun die Taan, was unser Gott sagt. Außerdem würdest du ohnehin kein starkes Essen bekommen. Du bist ein Sklave.«
Die Brühe roch tatsächlich nach Wild. Rabe hatte keinen großen Hunger, aber sein Körper brauchte die Nahrung, und er zwang sich dazu, einen Schluck Brühe zu trinken. Nach zwei oder drei Schlucken kehrte sein Hunger zurück, und er aß alles auf. Dazwischen stellte er dem Mädchen Fragen. »Wie heißt du?«, fragte er.
»Dur-zor«, antwortete sie, »und du?«
»Rabenschwinge.«
»Du bist nicht wie die da.« Sie warf einen Blick zu den Dunkarganern, dann sah sie Rabe wieder an.
»Nein. Ich bin ein Trevinici«, erklärte er. »Es gab mehr wie mich. Mehr Krieger. Weißt du, was mit ihnen geschehen ist? Sind sie woanders Gefangene?«
Dur-zor dachte nach und sah ihn an. »Ich bin nicht sicher, aber ich glaube, sie sind alle tot. Qu-tok und die anderen Krieger erzählten von einem guten Kampf gegen würdige Krieger, keine winselnden Hunde wie die da.« Sie warf den Dunkarganern einen glühenden Blick zu. »Es heißt, unsere Krieger haben viele getötet. Qu-tok hatte Glück, einen solch starken Gefangenen zu machen.«
Rabe empfand keine Trauer um seine Leute, die als Krieger gestorben waren. Er verspürte eine gewisse Hoffnung, dass es vielleicht einigen gelungen war, zu entkommen, aber diese Hoffnung verging beinahe sofort, denn kein Trevinici würde vor einem Feind fliehen. »Du nennst sie Taan«, sagte er und sprach das Wort vorsichtig aus. »Bezeichnen diese Geschöpfe sich so?«
»Ja. Taan«, sagte sie.
»Und du, Dur-zor?« Er sprach den Namen zögernd aus. »Du bist kein Taan.«
»Ich bin eine Halbtaan«, entgegnete sie.
»Was ist die andere Hälfte?«, murmelte er kauend.
»Mensch«, antwortete sie.
Bereits sein erster Blick hatte das nahegelegt, aber er konnte es immer noch nicht glauben. Er schüttelte den Kopf. »Elfen und Menschen können keinen Nachwuchs haben. Zwerge und Menschen können keinen Nachwuchs haben. Schlangen und Menschen können keinen Nachwuchs haben. Diese Geschöpfe und Menschen…« Er warf den Taan einen hasserfüllten Blick zu. »Wie kann das möglich sein?«
»Ich weiß nicht, wie es möglich ist«, erwiderte das Mädchen schulterzuckend. »Ich weiß nur, dass es so ist und schon immer so war. Die Taan sagen, dass vor langer Zeit in ihrer Welt von Iltshuzz-stan menschliche Sklaven manchmal Kinder bekamen, die weder Taan noch Mensch waren. In Iltshuzz-stan wurden Halbtaankinder getötet, aber hier in diesem Land verbietet unser Gott das. Solche wie ich sind wertvoll, sagt er, denn wir sprechen sowohl die Sprache der Menschen als auch die der Taan.«
»Die Taan können die Sprache der Menschen nicht sprechen?«, fragte Rabe, der glaubte, dass ihm diese Information vielleicht nützen könnte.
»Nein, obwohl ein paar Taan-Schamanen sie verstehen und schreiben können.« Dur-zor zeigte auf ihr Gesicht. »Der Mund von Taan lässt nicht zu, die
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