Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
Nacht.
Rabe sah ihnen beim Tanzen zu, sah ihre Silhouetten schwarz vor dem lebhaften Orange des Feuers. Schließlich war er erschöpft. Er schlief mehrmals ein, aber jedes Mal riss ihn wieder ein Schrei aus dem Schlaf, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ, und er schreckte aus einem entsetzlichen Traum, in dem er wieder mit dieser schwarzen Rüstung unterwegs war.
Er erwachte, als ihn jemand am Arm berührte. Er fuhr auf, denn er glaubte, es handele sich um eine schwarz gerüstete Hand, sprang auf die Füße und stand bebend da, jeder Muskel angespannt, bereit, bis zum Tod zu kämpfen. Erst dann begriff er, dass die Gestalt, die vor ihm hockte und ihn erstaunt anstarrte, kein Vrykyl war, sondern nur Dur-zor.
Dies war das erste Mal, dass sie es gewagt hatte, näher zu kommen, das erste Mal, dass sie ihn berührt hatte.
Rabe seufzte schaudernd auf und setzte sich wieder auf den Boden. »Tut mir Leid, wenn ich dich erschreckt habe«, sagte er. Er schüttelte den Kopf. »Schlechte Träume.«
»Ah«, machte sie und nickte. Sie hatte einen Holzteller mit Wildschweinbraten in der Hand. Sie stellte ihn vor Rabe hin.
»Was ist das?«, fragte er und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Der Schmerz in seinem Kopf war matter geworden. Sein leerer Magen knurrte, aber er hatte keinen Appetit. Er fürchtete, das Essen würde bewirken, dass ihm wieder übel wird. »Du sagtest doch, dass Sklaven kein starkes Essen bekommen.«
»Dag-ruk hat das geschickt«, erklärte Dur-zor lächelnd. Sie schien sich für ihn zu freuen. »Sie sagt, du bringst uns Glück. Du hast den Kyl-sarnz in unser Lager gebracht.«
»Nein!«, rief Rabe und wich zurück. Auf seiner Stirn brach der kalte Schweiß aus. »Nein, sag so etwas nicht!«
Dur-zor schien verwirrt von seiner Reaktion. »Aber warum? Das Eintreffen eines Kyl-sarnz ist doch ein gutes Zeichen. Kylbufftt Lnkst hat unserem Stamm eine große Ehre erwiesen. Es ist der Wille unseres Gottes, dass wir die Sklavenkarawane zurück nach Taan-Cridkx bringen. Und wenn wir zurückkehren, wird man Dag-ruk zur Nizam machen – eine hohe Ehre.«
»Du sagst, eure Krieger bringen die Sklavenkarawane zurück nach… wo immer das sein mag. Wird Qu-tok dabei sein?«
»Selbstverständlich«, sagte Dur-zor. »Wohin sollte er sonst gehen?«
»Gut«, sagte Rabe. Sein Appetit war zurückgekehrt. Er griff nach dem Teller. »Ich werde essen. Richte Dag-ruk meinen Dank für das starke Essen aus.«
Die Fahrt nach Norden über das Meer von Redesh war vergleichsweise einfach, wenn auch nicht gerade bequem. Jessan benutzte das Blutmesser beinahe jeden Abend, um seine Jagdbeute zu töten, und er wurde weiter von Alpträumen heimgesucht. Im Schlaf konnte er den Hufschlag hören. Jeden Morgen erwachte die Großmutter und hob den Sehstock, und jeden Morgen warf sie Jessan einen seltsamen Blick zu.
Jessan ärgerte sich über ihre unausgesprochene Anklage. Er hatte nichts falsch gemacht. Er war nicht für das verantwortlich, was dieser dumme Stock zu sehen glaubte, und er brauchte einer alten Pecwae-Frau gegenüber keine Rechenschaft abzulegen. Er hätte ihr vielleicht von seinen schlechten Träumen erzählt, oder doch zumindest Bashae, aber in Wahrheit schämte sich Jessan seiner Träume. Er sehnte sich danach, sich endlich seinen Kriegernamen zu verdienen, einen Platz im Stamm als mächtiger Krieger einzunehmen, und dennoch erwachte er jede Nacht zitternd und bebend wie ein jammerndes Kind, das seine Mutter verloren hatte. Also hielt er die Träume geheim, denn wer würde schon zugeben, dass er innerlich schwach und ein Feigling war?
Bedrückt und unglücklich und stets übermüdet, weil er nicht genug Schlaf bekam, paddelte Jessan mürrisch vor sich hin und bedauerte, je auf diese Reise gegangen zu sein. Die Großmutter war ebenfalls schlechter Laune. Sie starrte misstrauisch in die Schatten am Ufer, stieß immer wieder Alarmrufe aus, die sich dann als grundlos erwiesen, und beschäftigte sich unaufhörlich mit ihren Steinen. Bashae, der zwischen den beiden stand, versuchte mit Jessan zu sprechen, aber er wurde kühl abgewiesen. Wenn er versuchte, mit der Großmutter zu reden, fauchte sie ihn an und meinte, er solle sie in Ruhe lassen, und sie wäre nicht mitgekommen, damit man ihr auf die Nerven ginge. Bashae zuckte die Achseln, saß vorn im Boot und paddelte, wenn man es ihm sagte, aber er verbrachte die meiste Zeit damit, die Schönheit der sich immer wieder verändernden Umgebung zu bewundern.
Je weiter
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