Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
kleine Hand auf den Brustharnisch. Bei der Berührung verwandelte sich der Harnisch in flüssiges Silber. Bashae stieß einen entsetzten Schrei aus. Er sprang auf, taumelte rückwärts, versteckte sich hinter dem Pferd. Jessan schnappte nach Luft und sprang ebenfalls auf. Endlich hatte etwas auch ihn erschüttert.
Die Rüstung floss über den Ritter und verschwand, und nun war er nur noch in schlicht geschneiderte Hosen und ein Lederwams gekleidet und sah aus, wie ein einfacher Reisender.
»Ich habe dir doch gesagt, dass es eine magische Rüstung ist«, erklärte Wolfram gereizt. Er rückte näher heran und sah dem Ritter ins Gesicht. »Ich kann es nicht fassen! Ritter Gustav, hat er gesagt, und ich habe ihn nicht einmal erkannt. Der Ritter Gustav Hurensohn, verfolgt von einem Geschöpf der Leere. Jetzt frage ich mich nur noch…« Er starrte den Ritter an, seine Gedanken ein Durcheinander von neuen und vielleicht profitablen Möglichkeiten.
»Was ist mit der Rüstung?«, fragte Jessan und betrachtete den Ritter misstrauisch.
Wolfram sah sich um und entdeckte, dass der Pecwae noch immer hinter dem Pferd hockte.
»Komm zurück, Bashae«, rief der Zwerg und winkte. »Es war deine liebevolle Berührung, die den Zauber löste. Sieh nach, ob du etwas mit ihm anfangen kannst. Komm schon.« Wieder winkte er. »Dir wird nichts passieren.«
Aber noch bei diesen Worten warf er einen zweiten Blick zu der schwarzen Rüstung hin. Es gefiel ihm nicht zu hören, dass Gustav geglaubt hatte, das Wesen getötet zu haben, und dass es ihn trotzdem weiter verfolgte. Wobei man auch nicht vergessen durfte, dass sie das von Gustavs Pferd erfahren hatten. Wolfram war ein Zwerg, und daher liebte er Pferde, aber er gab nicht sonderlich viel auf ihren Scharfsinn.
»Er ist ein alter Mann!«, rief Jessan erstaunt, als er das faltige Gesicht des Ritters, sein graues Haar, den grauen Bart sah. »So alt wie Großmutter Pecwae! Und dennoch ist er ein Krieger.«
Kein Wunder, dass er erstaunt war. Nur wenige Trevinici, seien es Männer oder Frauen, erlebten ein friedliches Alter.
»Ja, er ist alt«, sagte Wolfram. »Er ist der älteste der menschlichen Paladine, und der am höchsten Geachtete.« Das Letztere fügte er hinzu für den Fall, dass der Ritter ihn hören konnte. Tatsächlich behaupten die meisten, dass der alte Mann den Verstand verloren hätte.
Bashae hockte sich neben Gustav nieder. Er drückte das Ohr auf Gustavs Brust und lauschte nach dem Herzschlag. Er zog ein Augenlid des Mannes hoch, spähte ihm ins Auge. Er öffnete Gustavs Mund und untersuchte die Zunge. Dann schüttelte er den Kopf und schaute zu der schwarzen Rüstung hinüber.
»Du sagst, dieses Ding da sei ein Geschöpf des Bösen?«, fragte Bashae.
»Ganz bestimmt.« Daran bestand für Wolfram kein Zweifel.
Bashae nickte. Er stand auf, schnupperte wie ein Hund, der eine Spur verfolgt, dann sprang er ins Dunkel davon. Einen Augenblick später kehrte er mit ein paar intensiv duftenden Blättern in der Hand zurück.
»Salbei«, sagte er und wedelte mit den Blättern herum. »Entzünde ein Feuer«, befahl er.
Jessan holte Zunder und Feuerstein heraus und schlug mehrere kleine Funken. Bashae hielt die Blätter an die Flamme. Die trockenen Blätter fingen rasch Feuer. Bashae ließ den Salbei einen Moment brennen, dann blies er die Flamme wieder aus. Er murmelte Worte in seiner eigenen Sprache und wedelte mit dem rauchenden Blatt über Gustav hin und her, vom Kopf bis zu den Füßen.
»Das wird das Böse vertreiben«, erklärte Bashae.
Schließlich hielt er den Salbei an Gustavs Nase und ließ den Ritter den Rauch einatmen. Das hatte die erwünschte Wirkung, Gustav zu wecken. Ob er wieder zu sich kam, weil das Böse tatsächlich vertrieben war oder weil er befürchtete, ersticken zu müssen, blieb fraglich.
Gustav hustete und würgte. Er starrte sie einen Augenblick lang an, ohne sie zu erkennen, dann erinnerte er sich wieder an den Kampf. Er wedelte sich den Rauch aus dem Gesicht und versuchte sich hinzusetzen.
»Immer mit der Ruhe, Ritter Gustav«, sagte Wolfram und legte dem Ritter eine Hand auf die Brust. »Euer Feind ist tot.«
Gustav sah sich um. Er entdeckte die schwarze Rüstung.
»Wahrhaftig? Habe ich es getötet?« Er schüttelte den Kopf. »Ihr dürft diesem Geschöpf nicht trauen. Ich glaubte schon einmal, es getötet zu haben.«
»Dieses Ding dort ist tot – es sei denn, eine Handvoll Staub kann sich wieder zu einem angeblich lebendigen Wesen
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