Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
zusammensetzen.«
»Ich würde einem Vrykyl alles zutrauen«, meinte Gustav leise. »Zerstört die Rüstung. Begrabt sie. Werft sie in den Fluss.« Er hielt inne, sah den Zwerg fragend an. »Ich kenne Euch…«
»Wolfram, Herr«, sagte der Zwerg mit einem Nicken. »Ihr habt mich schon öfter gesehen. Vielleicht erinnert Ihr Euch, daran, wo.« Er wies mit dem Daumen auf Jessan und Bashae und beugte sich dichter zu dem Ritter hinunter, um ihm ins Ohr zu flüstern: »Ich möchte mich mit Informationen ein wenig zurückhalten, wenn Ihr versteht, was ich meine. Ich prahle nicht mit meinen Verbindungen.«
»Ich verstehe.« Gustav lächelte dünn, dann holte er plötzlich schaudernd Luft, weil er von einem schmerzlichen Krampf geschüttelt wurde.
Bashae legte dem Ritter den dünnen Arm um die Schultern. »Ihr solltet Euch hinlegen, Herr«, sagte er, obwohl er nicht einmal wissen konnte, weshalb Wolfram den Ritter so ehrfürchtig behandelte. Er half Gustav, sich wieder hinzulegen. »Wo seid Ihr verwundet? Könnt Ihr es mir sagen? Ich bin Heiler«, behauptete er stolz. Seine Ehrlichkeit zwang ihn jedoch dazu, »in Ausbildung« hinzuzufügen.
»Ich weiß, dass du ein Heiler bist«, sagte Gustav und holte abermals schaudernd Luft. »Deine Berührung ist so sanft.« Er blieb einen Moment lang still liegen, behielt die Augen geschlossen und ruhte sich aus. Dann berührte er die Schulter mit der Hand. »Ich bin verwundet.« Er öffnete die Augen und sah Bashae ins Gesicht. »Aber du wirst nichts für mich tun können, mein Freund. Diese Wunde ist tödlich. Ich sterbe Zoll für Zoll, jeden Tag mehr. Aber ich bin ein ziemlich großer Mann.« Wieder lächelte er. »Die Götter werden mich noch ein wenig weiter tragen. Lasst mich ausruhen, und dann helft mir wieder aufs Pferd – «
»Ihr dürft nicht reiten, Herr«, protestierte Bashae. »Ihr könnt ja kaum aufrecht sitzen. Wir bringen Euch in unser Dorf. Meine Großmutter ist die beste Heilerin der Welt. Sie wird Euch helfen können.«
»Ich danke dir, lieber Freund«, sagte Gustav. »Aber meine Zeit gehört nicht mir selbst. Ich habe Dringendes zu erledigen. Ich darf nicht ruhen. Die Götter…«
Aber noch während er sprach, nahmen ihm die Götter die Angelegenheit aus der Hand. Ein Schmerz, schärfer als ein Schwert, durchzuckte ihn. Er drückte beide Hände an die Brust, dann verlor er das Bewusstsein.
Rasch fühlte Bashae nach seinem Herzschlag.
»Er lebt«, berichtete er. »Aber wir müssen ihn so schnell wie möglich in unser Dorf bringen. Jessan, heb ihn auf sein Pferd. Ich werde dem Tier erklären, was es tun soll.« Er warf Wolfram einen Blick zu. »Könnt Ihr reiten?«
Ob er reiten konnte? Wolframs Gedanken wendeten sich jenen Tagen zu, als er wie der Wind über die Tundra seiner Heimat gefegt war. Jenen Tagen, in denen er eins mit seinem Pferd gewesen war, sie ineinander übergegangen waren, sich in Herz und Geist verbunden hatten. Das Bild war so lebhaft und quälend, dass es ihm Tränen in die Augen trieb. Ja, er konnte reiten. Aber das Reiten war ihm nun verboten. Es lag ihm auf der Zunge, das auszusprechen, als ihm auffiel, dass sie ihn zurücklassen würden, wenn er nicht ritt. Hier, bei dieser verfluchten schwarzen Rüstung.
Rasch stapfte er zu dem Pferd hinüber. Das Tier war zwar größer als die kleinen, kräftigen Ponies, die er zu reiten gewöhnt war, aber er würde es schaffen.
Wolfram sprang auf den Rücken des Pferdes. Das Tier war unruhig, aber der Zwerg ergriff die Zügel mit fester Hand, tätschelte dem Pferd den Hals und begann, beruhigend auf es einzureden. Das Pferd entspannte sich ein wenig, besänftigt sowohl von der Berührung des Zwergs als auch der Stimme des Pecwae. Jessan hob Gustav auf den Rücken des Tiers. Der alte Mann war nicht schwer. Das Fleisch war in den letzten Tagen von seinen Knochen geschwunden. Wolfram half ihnen, den verwundeten Ritter vor sich zu setzen, schlang die starken Arme um ihn und hielt ihn auf dem Pferderücken aufrecht.
»Geh mit«, sagte Jessan zu Bashae. »Ich komme nach.«
Die Satteldecke in der Hand, ging er auf die schwarze Rüstung zu.
»Ah, mein Junge!«, rief Wolfram. »Das hätte ich beinahe vergessen. Versenke die Rüstung im See, Jessan, wie der Ritter gesagt hat. Wirf sie so weit du kannst, an die tiefste Stelle.«
»Wie bitte?« Jessan starrte ihn an. »Eine gute Rüstung in den See werfen? Seid Ihr verrückt?«
Er breitete die Decke auf dem Boden aus. Dann hob er ein Stück der Rüstung
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