Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
hoch, warf sie darauf, und Wolfram begriff, dass der junge Mann vorhatte, die Rüstung mit ins Lager zu nehmen. Wenn der Zwerg wieder vom Pferd hätte steigen können, wäre er zu dem Jungen gerannt, verrenkter Knöchel hin oder her, und hätte die verfluchte Rüstung selbst in den See geworfen. Im Augenblick allerdings war er so entsetzt, dass er nur würgen und spucken konnte.
»Nein! Tu das nicht! Sie ist verflucht. Der Ritter selbst hat gesagt, wir sollen sie zerstören. Bashae!« Er wandte sich an den Pecwae, der die Zügel in die Hand genommen hatte und das Pferd auf den Wald zu führte. »Bashae. Sag es ihm. Warne ihn. Er darf nicht – «
»Er wird nicht auf mich hören«, erwiderte Bashae. »Jetzt, wo Ihr es erwähnt, fällt mir wieder ein, dass mir die Rüstung ein unangenehmes Gefühl verursacht hat. Aber macht Euch keine Gedanken. Meine Großmutter wird wissen, wie man den Fluch entfernt.« Er zog an den Zügeln des Pferdes, und das Tier wurde schneller.
Wolfram wünschte sich verzweifelt, dass Gustav das Bewusstsein wiedererlangen würde. Der Ritter würde zweifellos darauf bestehen, dass sie die Rüstung zerstörten, und vielleicht besaß er genug Autorität, um Jessan zu überzeugen. Aber Gustav war in tiefen Schlaf gesunken und nichts, was der Zwerg tat oder sagte, konnte ihn wecken.
Wolfram warf einen Blick zurück und sah, dass Jessan die Ecken der Satteldecke über der Rüstung verknotete und ein Bündel daraus schnürte. Er warf sich das Bündel über die Schulter und schickte sich an, ihnen zu folgen.
Wolfram erschauderte so heftig, dass sich sein Zittern auf das Pferd übertrug, das daraufhin nervös scheute, was dem Zwerg wiederum einen ernsten Tadel von Bashae eintrug.
Der Tag brach an. Rosenrote Streifen, die sich mit lila- und safranfarbenen abwechselten, erhellten den Himmel. Ein wunderbarer Sonnenaufgang, der einen schönen Tag ankündigte. Jessan sah, wie die Farben intensiver wurden und spürte ein ähnliches Glühen tief in seinem Inneren! Er hatte schon lange von so etwas geträumt – seiner Rückkehr ins Dorf von seiner ersten Reise. Und dieses eine Mal waren die Träume von der Realität weit übertroffen worden. Er vergaß nicht, sich angemessen bei den Göttern zu bedanken, als er ihnen den Morgengruß entbot.
Als sie noch etwa eine Meile von ihrem Dorf entfernt waren, übernahm er die Zügel des Pferdes und schickte Bashae voraus, um der Großmutter zu sagen, dass man ihre Dienste brauchte, damit sie einen angemessenen Platz für den verwundeten Ritter vorbereiten konnte. Bashae war gern dazu bereit, damit er als Erster die Gelegenheit haben würde, seine Leute mit dieser bemerkenswerten Geschichte zu verblüffen.
Jessan überließ damit seinem Freund zwar den Ruhm, Überbringer dieser erstaunlichen Neuigkeiten zu sein, aber er selbst würde das Dorf im Triumph betreten und seinen eigenen Ritter mit wunderbaren Kräften mitbringen, seinen eigenen Zwerg, dazu eine Rüstung von einer Qualität, wie selbst Onkel Rabe sie noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Alle im Dorf würden jahrelang von ihm sprechen. Das war eine Geschichte, die man noch seinen Enkeln erzählen würde.
Bashae machte sich davon und wirbelte kleine Staubwolken auf, als er den schmalen Pfad entlangrannte, der vom Trevinici-Lager zu einem nahe gelegenen gewundenen Fluss führte. Pecwae können unglaublich schnell laufen und ihre Geschwindigkeit lange Zeit beibehalten – eine Eigenschaft, die zweifellos viel zu ihrem Überleben in einer feindseligen Welt beigetragen hatte. Er würde das Dorf lange vor den anderen erreichen und seine Geschichte erzählen, und alle würden ihre Arbeit fallen lassen, um die Neuigkeiten zu hören. Er konnte es kaum erwarten und ging in seinem Kopf wieder und wieder durch, was er ihnen sagen würde.
Als er im Dorf eintraf, packte sich Bashae den ersten Ältesten, den er finden konnte, und platzte mit allem heraus, so schnell, dass sich seine Worte schier überschlugen. Der Trevinici verstand nur sehr wenig von dem, was der Pecwae da erzählte, aber er begriff, dass es wichtig sein musste. Er griff nach einem alten Widderhorn und blies so laut Alarm, dass seine Leute aus allen Ecken herbeieilen würden. Um diese Jahreszeit waren viele auf den Feldern und kümmerten sich um die frisch gepflanzten Kartoffeln und Zwiebeln. Als sie das Horn hörten, ließen die Trevinici ihre Spaten fallen und rannten aufgeregt ins Dorf. Sie waren nicht beunruhigt. Dieser Hornruf wies nur auf
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