Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
euch begleiten.«
Jessan hatte gerade beschlossen, dass er sie lieber an einen Baum binden als erlauben würde, dass sie mitkam, als er bemerkte, dass sie nicht ihn ansah, sondern den Zwerg.
»Komm, Zwerg«, sagte Ranessa zu dem verblüfften Wolfram. »Steig hinter mir auf. Zu Fuß gehen ist zu langsam. Wir müssen uns beeilen.«
»Aber… aber… ich… ich…« Wolfram räusperte sich und fand endlich Worte, die irgendeinen Sinn ergaben. »Vollkommen unmöglich«, verkündete er, aber dann legte er plötzlich die Hand an den Arm. »Wie bitte?«, fragte er verblüfft. »Nein!« Er stöhnte. »Verlangt das nicht von mir!«
Lange Zeit blieb er mit gesenktem Kopf stehen, tief in Gedanken versunken.
»Was ist los mit dir?«, fragte Ranessa stirnrunzelnd. »Hast du den Verstand verloren?«
»Ich?«, fragte Wolfram mit großen Augen. »Ich!« Er starrte sie wütend an, rieb sich den Arm und schüttelte den Kopf. »Ja, ich muss verrückt sein, dass ich solchen Dingen je zugestimmt habe.«
Einer der Ältesten packte das Pferd am Zügel. »Das können wir nicht erlauben, Ranessa. Dein Bruder hat dich bei seinem Abschied in unsere Obhut gegeben. Wir würden unsere Pflicht vernachlässigen, wenn wir zuließen – «
»Ach, halt doch den Mund, du dummer alter Mann«, unterbrach ihn Ranessa wütend mit stählerner Stimme. »Nimm die Hand vom Zügel, oder sie bleibt für immer da, wenn ich sie dir vom Arm schneide.«
Sie hielt ihr Schwert so ungeschickt wie sie ritt, aber es bestand kein Zweifel daran, dass sie vorhatte, es zu benutzen. Der Älteste nahm die Hand weg. Ein Protestschrei erhob sich aus dem Kreis der Trevinici. Der Schmied Hammerschlag hatte eines seiner eigenen Produkte erkannt, das vor kurzem verschwunden war.
Auf einen Blick des Ältesten hin umzingelten auch die restlichen Dorfbewohner das Pferd.
»Bleibt weg! Ich warne euch!«, rief Ranessa, so panisch wie ein Hase, der versucht, den Hunden zu entkommen. Ihre Angst übermittelte sich dem Pferd. Es mochte seine Reiterin nicht, es mochte die Menschen nicht, die sich um es drängten, es verdrehte die Augen, fletschte die Zähne und machte sich bereit zu fliehen.
»Lasst sie in Ruhe!«, sagte eine Stimme.
Die Großmutter drängte sich vorwärts. Sie sah die Trevinici an. »Warum sollten ihre Träume geringer geachtet werden als die von anderen? Wenn es einer von euch wäre«, – die Großmutter nagelte sie mit ihren scharfen Blicken fest – »würdet ihr tun, was die Götter befehlen. Ist es nicht so?«
Es war so. Ein Krieger erfuhr seinen Erwachsenennamen häufig in einem Traum.
»Der Traum verlangt, dass sie geht«, sagte die Großmutter.
»Wenn ihr sie zurückhaltet, werdet ihr euch dem Willen der Götter widersetzen.«
»Dann soll sie gehen«, entschied der Älteste und trat einen Schritt zurück. »Aber dem Zwerg steht es frei zu tun, was er will.«
»Das bildest du dir ein«, murmelte Wolfram. »Sie kann mitkommen«, sagte er laut. Er warf Ranessa einen grimmigen Blick zu. »Aber ich werde nicht hinter dir reiten, als wäre ich ein Kind. Und steck dieses Schwert weg, bevor du dir noch die Brüste abschneidest!«
Dann ging Wolfram zu dem Pferd und legte seinen Kopf gegen den Kopf des Tieres. Das Ross schnaubte dankbar. Der Zwerg warf Ranessa einen wütenden Blick zu, die ebenso wütend zurückstarrte. Der Kampf der Willenskraft dauerte einen Augenblick, dann senkte Ranessa den Blick. Es gelang ihr nach einigen vergeblichen Versuchen, das Schwert wieder in die Lederscheide zu stecken. Mürrisch rutschte sie auf dem Pferderücken weiter nach hinten und machte Platz für den Zwerg.
Wolfram nahm dem Pferd die Trense aus dem Maul und warf Zügel und Zaumzeug weg. Zwerge haben die Fähigkeit, mit ihrem Reittier eins zu werden, und alles, was geschieht, geschieht aus gegenseitiger Zuneigung und Respekt voreinander. Wolfram schwang sich auf den Pferderücken.
»Halt dich mit den Knien fest, Mädchen«, wies er sie an. »Zur Not halte dich an meinem Wams fest. Wenn du runterfällst, werde ich nicht anhalten.«
Er drückte dem Pferd leicht die Fersen in die Flanken, schnalzte mit der Zunge, und das Tier trabte auf den Fluss zu. Wolfram saß lässig auf dem Pferderücken, Ranessa hüpfte auf und ab und tat ihr Bestes, seinen Anweisungen zu folgen. Sie klammerte sich fest, als hinge ihr Leben davon ab.
Jessan hörte einen allgemeinen Seufzer der Erleichterung, der durch das Dorf wehte wie eine erfrischende Brise.
»Ich frage mich, was dein Onkel
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