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Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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seiner Hütte zurückgelassen. »Und grüßt seine Verwandten.«
    »Du bist verrückt«, erwiderte Byrnjolf, immer noch grinsend.
    Doch bevor er den Befehl zum Ablegen gab, sprang noch ein zweiter Mann an Land stellte sich neben Hakon. »Ich bleibe auch hier«, sagte Edwin.

Ayasha
    31
    Die riesige Stadt lag am Ufer des breiten Flusses, über den sie gekommen waren, und war von ausgedehnten Feldern umgeben. Ein unübersehbares Labyrinth von gleichförmigen Häusern, alle aus Holz erbaut und mit Giebeldächern aus geflochtenem Gras bedeckt, erstreckte sich um den zentralen, von einem hohen Erdwall umgebenen Tempelplatz. Hinter dem Wall ragten gewaltige, mit geflochtenem Gras bedeckte Pyramiden empor, jede mit einem umzäunten Tempelhaus auf der abgeflachten Spitze. Über dem Tempelplatz, auf dem auch die Häuser der reichen Familien standen, brannte die Sonne.
    Ayasha hatte von den Städten im Süden gehört, aber nicht geglaubt, dass sie so riesig waren. Allein der Tempelplatz war größer als alle anderen Siedlungen, die sie kannte. Der Geschichtenerzähler eines fremden Volkes, der von einem Dorf zum anderen reiste und die Bewohner unterhielt, hatte von den Städten und einem seltsamen Volk berichtet, das der Sonne als höchster Gottheit huldigte und von mächtigen Priestern regiert wurde. Sie lebten vom Ackerbau und der Jagd, wie ihr eigenes Volk, fanden aber am Ufer des breiten Flusses so günstige Bedingungen vor, dass sie ausgedehnte Felder anlegen und in kaum übersehbaren Städten leben konnten.
    Niemand hatte diese Städte jemals zu Gesicht bekommen. Nur hinter vorgehaltener Hand erzählte man sich von Kriegern, die nach Süden aufgebrochen und niemals zurückgekehrt waren, und von einigen Frauen, die von den geschorenen Feinden entführt und an das Volk im Süden verkauft worden waren. Aber wer wusste schon, ob diese Geschichten wahr waren? In den Dörfern der Waldleute waren viele Gerüchte im Umlauf, und das, was die Geschichtenerzähler berichteten, konnte man nicht immer für bare Münze nehmen.
    An der Anlegestelle unterhalb der Uferböschung stiegen Ayasha und die Männer aus dem großen Kanu. Der Anführer half ihr aus dem Boot und lächelte freundlich, ein aufrichtiges Lächeln, das sie gerade deswegen verwirrte und ihr Angst einjagte. Man bedeutete ihr, sich auf die mit Fellen gepolsterte Trage zu setzen, und trug sie zur Stadt hinauf. Zu beiden Seiten des breiten Weges, der an einigen Häusern vorbei zum Tempelplatz führte, standen Menschen und senkten ehrfürchtig den Kopf, als sie an ihnen vorbeikamen. Einige Männer gingen sogar in die Knie, als wäre sie eine Göttin, der man huldigen musste. Von irgendwoher erklang rhythmisches Trommeln und begleitete sie bis zu dem bewachten Tor, das den Tempelplatz und die Häuser der Reichen von der übrigen Stadt trennten.
    Ihre Angst wuchs, und sie wäre am liebsten abgesprungen und davongerannt, doch ihr war klar, dass man sie nicht gehen lassen würde. Der Zwischenfall am großen Fluss hatte ihr gezeigt, dass die Freundlichkeit und Ehrerbietung, die man ihr entgegenbrachte, davon abhing, dass sie den Befehlen des Anführers folgte. Sie war nicht besser dran als jede andere Gefangene, nur der Ausgang war noch ungewiss.
    Auf dem Tempelplatz bekam Ayasha vor lauter Staunen den Mund nicht mehr zu. Die Pyramiden waren noch größer, als sie gedacht hatte, gewaltige Monumente aus angehäufter Erde, unter denen dieses Volk angeblich seine Toten begrub. In den kleinen Tempelhäusern auf den abgeflachten Spitzen wohnten die heiligen Männer, die jeden Morgen und jeden Abend der Sonne huldigten und das ewige Feuer im Inneren des Tempels bewachten. Ließ der Mann, der es bewachte, die Flammen erlöschen, wurde er mit dem Tode bestraft. So hatte der Geschichtenerzähler berichtet.
    Obwohl die Sonne von einem blauen Himmel herabschien, lag eine seltsam gedrückte Stimmung über dem Tempelplatz. Ähnlich war es vor einigen Wintern in ihrem Dorf gewesen, als eine angesehene Clanmutter gestorben war. Viele Frauen hatten sich die Haare abgeschnitten oder sich selbst Verletzungen an Armen und Beinen zugefügt, um ihre Trauer zu zeigen. Großes Wehklagen hatte in den Wigwams geherrscht. Hier klagte niemand und die Frauen waren alle unverletzt, aber es gab keine lauten Stimmen und keine spielenden Kinder, nirgendwo wurde gescherzt oder gelacht oder ein Lied auf der Flöte gespielt. Es war, als hätte man den Menschen die Fröhlichkeit geraubt.
    War einer ihrer

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