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Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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fast alle Männer der Siedlung. Nur Thorwald, der streng nach seinem neuen Glauben lebte, und Hakon, der immer an die Frau aus dem Buch dachte, wenn von den Fremden die Rede war, verwendeten das Schmachwort nicht.
    Doch nach einigen Tagen waren die Skr æ lingar schon fast vergessen. Die Nordmänner hatten die Leichen der getöteten Eingeborenen verbrannt und die steinernen Waffen in den Fluss geworfen, und keiner der Suchtrupps, die jetzt die nähere Umgebung erforschten, bekam die Fremden zu Gesicht. Nicht einmal Byrnjolf, der eine weitere Begegnung regelrecht herbeisehnte und auf seinen Jagdausflügen nach ihnen suchte, fand eine Spur von ihnen. Der überlebende Krieger hatte wohl mit solchem Entsetzen von den Riesen mit den gelben Haaren berichtet, dass seine Leute bis weit ins Landesinnere geflohen waren.
    Am frühen Morgen des achten Tages kauerte Hakon in seinem angestammten Versteck am Flussufer, den Blick auch nach mehreren Stunden Wache noch auf den Fluss gerichtet, als er dunkle Schatten aus dem Morgennebel tauchen sah. Er blickte genauer hin und erkannte ein ganzes Heer von Kriegern, die in schlanken Booten mit der Strömung paddelten und rasch näher kamen. Dunkelhäutige Männer mit nackten Oberkörpern, wesentlich stärker und kräftiger als die Eingeborenen, die Byrnjolf getötet hatte. Ihre Gesichter waren mit Farbe verschmiert, ihre Haare bis auf einen Kamm oder eine Locke meist kurz geschoren und mit Federn verziert, über ihren Schultern hatten sie Bogen hängen, die ledernen Köcher waren mit gefiederten Pfeilen gefüllt. Sie waren bereits so nahe, dass er die Entschlossenheit in ihren Gesichtern sah.
    Von der Erkenntnis getrieben, dass sie gegen diese Übermacht kaum eine Chance haben würden, rannte er zum Dorf zurück. »Skr æ lingar! Skraelingar!«, rief er, damit ihn alle verstanden. »Die Fremden kommen! Über hundert Männer, alle schwer bewaffnet! Die Eingeborenen, die Byrnjolf getötet hat, waren halbe Kinder! Jetzt kommen erwachsene Männer! An die Waffen!«
    Thorwald sprang von dem Hüttendach, das er repariert hatte, und zog sein Schwert. »Alle Mann an Bord!«, rief er. »Hinter die Schilde! Beeilt euch!«
    »Was soll das?«, fuhr Byrnjolf ihn an. »Machst du dir in die Hose vor diesen Wilden?« Er wandte sich an die Männer, die bei ihm standen. »Hört nicht auf ihn! Ein wahrer Nordmann stellt sich seinen Angreifern.« Er hob sein Schwert und stieß einen wilden Schrei aus. »Folgt mir, Männer! Zeigt diesen hässlichen Wilden, wozu wir fähig sind! Werft sie in den Fluss!«
    Er rannte los, gefolgt von einigen seiner Freunde, doch im selben Augenblick war die Luft von einem scharfen Sirren erfüllt, und ein wahrer Regen von Pfeilen prasselte auf die entsetzten Nordmänner herab.
    »Alle Mann an Bord! Schnell!«, rief Thorwald wieder.
    Diesmal gehorchten ihm alle, selbst Byrnjolf, dennoch kam es einem Wunder gleich, dass keiner der Pfeile traf und niemand verletzt wurde. Lediglich eines der Schafe stürzte getroffen ins Ufergras, einen Pfeil im Nacken.
    Hakon sprang über die Reling und verschanzte sich hinter seinem Schild. Auch ohne dass Thorwald einen Befehl rief, wussten er und die anderen Männer, was sie zu tun hatten. Schon als Junge lernte ein Nordmann, dass man bei einem feindlichen Angriff hinter dem Schanzkleid des Schiffes und dem eigenen Schild am sichersten war. Auf diese Weise geschützt gingen alle Nordmänner in die Schlacht, steuerten auf ein feindliches Schiff zu, bis es zur Kollision kam und sie sich mit gezückten Schwertern auf die Feinde stürzen konnten. Doch die Skr æ lingar saßen in wendigen Kanus und waren viel beweglicher als eine schwerfällige Knorr.
    Dennoch trieb Thorwald seine Besatzung zum Angriff. Er war kein Feigling, auch als Christenmensch nicht, und schien fest entschlossen, seine Männer in die Schlacht zu führen, auch wenn die Übermacht erdrückend war. Doch gerade als er den rechten Arm zum Zeichen des Angriffs hob, schwirrte ein Pfeil aus dem Dunst heran und bohrte sich in seine Achselhöhle. Er stürzte auf die Knie, hielt sich an einem Tau fest, bis seine Kraft endgültig nachließ, seine Finger sich lösten und sein Körper auf die Planken krachte.
    Das Schiff trieb bereits in den Fluss hinaus. Byrnjolf übernahm geistesgegenwärtig das Kommando, schrie dem Steuermann zu, die Knorr quer zu stellen, gerade noch rechtzeitig, bevor sich Dutzende von Pfeilen in die hochgereckten Schilde bohrten. Einige Nordmänner schossen selbst Pfeile

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