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Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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dieser Edwin, dachte er, als ihm langsam die Augen zufielen, ein Mann, der eine Reise ins Unbekannte und eine lange Trennung von seiner jungen Frau auf sich nahm, nur weil er glaubte, ihm etwas schuldig zu sein.
    Er schloss die Augen und versank kurz danach in einem quälenden Albtraum, der ihm den Angstschweiß auf die Stirn trieb. Er musste hilflos mit ansehen, wie gedrungene Krieger die Frau aus seinen Visionen fesselten und auf eine Opferbank legten. Ein stattlicher Mann in einem langen Umhang aus Vogelfedern murmelte ein Gebet und rammte ihr ein silbern funkelndes Messer in den Leib. Erst als sich die Frau unter dem tödlichen Stoß aufbäumte, schreckte Hakon aus dem Schlaf. Er fuhr schweißgebadet hoch und blickte in die Augen des ehemaligen Sklaven.
    »Skr æ lingar!«, flüsterte Edwin. »Zwei Männer. Sie paddeln ans Ufer. Ich glaube, sie haben unser Boot gesehen. Ihre Gesichter sind mit Farbe bemalt.«
    »Ist der Mond so hell?«
    »Der Himmel ist voller Wolken.«
    »Dann hast du gute Augen.«
    Hakon kroch aus dem Fellsack und griff nach seinem Schwert. Er hatte nicht die Absicht, gegen die Eingeborenen zu kämpfen, aber wer wusste schon, wie diese reagieren würden? Er deutete zum nahen Waldrand und versteckte sich mit Edwin zwischen den Bäumen, weit genug vom Lagerplatz entfernt, um von den bemalten Kriegern nicht entdeckt zu werden.
    Ihre Waffen griffbereit in den Händen warteten sie in der Dunkelheit. Es war kälter geworden. Der Wind verfing sich in den mächtigen Baumkronen und trieb lose Blätter vor sich her, nur wenige Schritte neben ihnen huschte ein Fuchs durchs dichte Unterholz. Ein Nachtvogel erhob sich krächzend von einem Ast und flatterte davon. Hakon blickte besorgt zu ihm empor, hatte Angst, dass der Vogel sie verraten könnte.
    Vom Flussufer drangen die kehligen Laute der Fremden zu ihnen herauf. Hakon verstand kein Wort, erkannte jedoch am Tonfall, dass sie aufgeregt waren. Er glaubte zu erkennen, wie sie das fremde Boot untersuchten und neugierig das Segel betrachteten. Gleich darauf verstummten die Laute und bedrückende Stille senkte sich auf das Land.
    »Meinst du, sie sind weg?«, fragte Edwin flüsternd.
    Hakon schüttelte den Kopf. »Sie ahnen, dass wir in der Nähe sind, und haben Angst, in eine Falle zu laufen.«
    Sie zogen sich noch weiter ins Unterholz zurück und warteten geduldig. Zwischen den Bäumen, allein mit der Nacht und ihren unheimlichen Schatten hatten sie das Gefühl, die einzigen Menschen in diesem Land zu sein. Außer dem klagenden Lied, das der Wind in den Baumkronen sang, drang kein Laut durch den Wald. Als Edwin schon glaubte, die Gefahr wäre vorbei, und etwas sagen wollte, legte Hakon ihm rasch eine Hand auf die Schulter.
    Edwin erschrak und starrte auf die Lichtung, er sah jetzt auch die dunklen Schatten aus dem Wald treten. Im matten Licht waren zwei Krieger zu erkennen, einer mit gespanntem Bogen, der andere mit erhobener Kriegskeule. Wie wachsame Raubkatzen ließen sie ihre Blicke über die Lichtung und den Waldrand wandern, die Muskeln gespannt und zum Sprung bereit.
    Hakon hatte das Gefühl, von ihren Blicken durchbohrt zu werden. Seine rechte Hand berührte den silbernen Schwertknauf, er war jederzeit auf einen Angriff der Krieger gefasst. Mit einem warnenden Blick wies er Edwin an, sich ebenfalls auf einen Kampf vorzubereiten. Die Eingeborenen machten eindeutig einen bedrohlichen Eindruck.
    Der Krieger mit dem Bogen wurde auf die Feuerstelle aufmerksam und kniete neben dem verkohlten Holz nieder. Er hielt die flache Hand darüber und sagte etwas zu seinem Begleiter, der leise antwortete. Mit der freien Hand deutete er auf den Waldrand, als ahnte er, dass Hakon und Edwin sich hinter den Bäumen versteckt hatten.
    Hakon erkannte, dass ihm wenig Zeit zum Handeln blieb. Wieder hörte er auf seine innere Stimme, als er die Hand vom Schwert nahm und Edwin ins Ohr flüsterte: »Rühr dich nicht vom Fleck! Ich spreche mit den Fremden.«
    Edwin erschrak und wollte ihn zurückhalten, aber Hakon war bereits unterwegs. Mit erhobenen Händen, zum Zeichen, dass er nicht die Absicht hatte, seine Waffe zu benützen, trat er auf die Lichtung. Ein mutiger Schritt, der ihn das Leben kosten konnte, doch daran dachte er in diesem Augenblick nicht.
    »Ich komme in Frieden!«, rief er. Weil er wusste, dass ihn die Eingeborenen nicht verstehen konnten, versuchte er seiner Stimme einen versöhnlichen Klang zu geben. »Ich bin Hakon aus Grünland und möchte mit euch

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