Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
Vom Netzwerk:
verschwanden in einem Seitenarm. Als Hakon flussabwärts blickte, bemerkte auch er den Grund für ihre Aufregung. Ein riesiges Schiff kam den Fluss herauf. Im flackernden Schein der beiden Fackeln, die an Bord brannten, leuchtete ein blutrotes Segel.
    »Ivar!«, flüsterte er entsetzt.

33
    Das Schiff trieb langsam an ihnen vorbei. Im unruhigen Feuerschein der Fackeln waren die Männer an Bord nur schemenhaft zu erkennen. Der Mann am Achtersteven war Ivar der Einarmige. Der Hass des Jarls musste unermesslich sein, wenn er aus bloßer Rachsucht bis an den Rand der Erde segelte. Oder befürchtete er, das Ansehen seiner Sippe zu verlieren, wenn er ohne den Kopf seines Todfeindes nach Hause zurückkehrte?
    Hakon kauerte hinter einem Gestrüpp und zog unwillkürlich den Kopf ein, als der Feuerschein über die Blätter strich. Irgendjemand musste dem Jarl die Route von Leif Eriksson verraten haben, sonst hätte er sie niemals aufgespürt. Hakon nahm an, dass er mit einem der Männer gesprochen hatte, die mit Leif in Vinland gewesen waren. Von Leifsbudir war der Weg vorgezeichnet, führte nur dieser riesige Fluss, der noch keinen Namen hatte, in die Wildnis hinein.
    »Meinst du, er kommt deinetwegen?«, fragte Edwin, als das Schiff außer Sichtweite war, sie aber immer noch nicht wagten ihre Deckung zu verlassen. Sie wollten erst sicher sein, dass Ivar der Einarmige nicht umkehrte.
    »Er will meinen Tod«, erwiderte Hakon. »Es wird erst Frieden für mich geben, wenn ich ihn besiegt und ins Reich der bösen Riesen geschickt habe!«
    »Du willst ihm folgen? Er hat bestimmt seine besten Krieger dabei.«
    Hakon erhob sich langsam. »Ich muss das tun, was die Götter von mir verlangen. Sie wollen, dass ich nach Westen gehe, sonst hätten sie mich nicht auf diesen Fluss geschickt. Und wenn Ivar der Einarmige irgendwo auf mich wartet und mich zum Kampf fordert, werde ich kämpfen, und wenn ich gegen dreißig seiner besten Männer antreten muss. Willst du umkehren, Edwin?«
    »Ich bleibe bei dir.«
    »Zusammen sind wir stark«, sprach Hakon seinem Begleiter und sich selbst Mut zu. »Wenn uns die Götter beistehen, werden wir ihn besiegen.«
    Doch während der nächsten Tage und Nächte sahen sie nicht die geringste Spur von Ivar und seinen Männern. Keine heruntergebrannten Feuer, keine Überreste erlegter Tiere, keine Fußabdrücke im Ufersand. Der Fluss lag leer und verlassen vor ihnen, als wäre das Schiff mit dem blutroten Segel niemals an ihnen vorbeigefahren. Nur weil auch Edwin den Jarl gesehen hatte, war Hakon sicher, die Begegnung nicht geträumt zu haben.
    Das Wetter hatte sich verschlechtert. Düstere Wolken trieben über den weiten Himmel und ließen die Sonne nur erahnen, lediglich als weißer Schimmer war sie über den Wäldern zu sehen. Der Wind beugte die Baumkronen und kniehohen Büsche und Gräser an den Ufern. Er kam jetzt aus dem Norden und brachte kühle Luft mit, erinnerte sie an Grünland und Eisland. Im Gras leuchteten bunte Wildblumen.
    Als sich der Fluss inmitten ausgedehnter Wälder gabelte, wählte Hakon die nördliche Route. Das behelfsmäßige Segel ihres kleinen Bootes blähte sich im frischen Wind, und sie kamen schnell voran. Sie hatten keine Ahnung, welche Route der Jarl genommen hatte, hielten aber ständig Ausschau, um ihm nicht in die Falle zu gehen. Sie mussten damit rechnen, dass er irgendwo vor Anker gegangen war und Suchtrupps losgeschickt hatte.
    Doch die Gegend war so einsam, als gäbe es nicht einmal Tiere, sogar die Fische sprangen kaum noch aus dem Wasser. Die Ufer waren von Bäumen gesäumt und mündeten in zahlreiche Buchten, an denen sie mit äußerster Vorsicht vorbeifuhren. Einmal entdeckten sie mehrere Hütten aus Baumrinde, die mit Fellen und Tierhäuten bedeckt waren. Sie waren so gut getarnt, dass Hakon sie nur erkannte, weil Rauch von den Kochfeuern zu den Baumkronen emporstieg. Er starrte zu den Hütten hinüber und sah dunkle Schatten in dem Dunst, der von der Bucht aufstieg, hielt aber nicht an. Die innere Stimme trieb ihn weiter, er war sicher, sein Ziel noch nicht erreicht zu haben. Die Götter würden ihm ein Zeichen geben, sobald er im Land der jungen Frau aus dem Christenbuch angekommen war.
    An der Mündung des Flusses in einen riesigen See glaubten sie zuerst einen neuen Ozean erreicht zu haben. Erst als sie das Wasser kosteten und kein Salz schmeckten, erkannten sie ihren Irrtum. Ohne lange zu überlegen, lenkte Hakon das Boot an der nördlichen Küste entlang. Das

Weitere Kostenlose Bücher