Der Stein der Wikinger
reden.«
Die Krieger blickten ihn verwirrt an. Als der eine seinen Bogen hob, drückte ihm der andere die Arme nach unten und raunte ihm etwas zu. Anscheinend wollten sie abwarten, was der seltsame Fremde im Schilde führte.
Hakon war erleichtert, diesen kritischen ersten Augenblick überstanden zu haben. Betont langsam und immer noch mit erhobenen Händen ging er auf die Krieger zu. Wenn er die Frau aus dem heiligen Buch jemals finden wollte, musste er mit diesen Eingeborenen sprechen. Die Frau war mit ihnen verwandt, da war er ganz sicher. Irgendwie, hoffte er inständig, würde es ihm schon gelingen, sich verständlich zu machen.
Er blieb vor den beiden Männern stehen und nahm langsam die Hände herunter. Mit einem vorsichtigen Lächeln und fester Stimme, die keinerlei Schwäche verriet, sagte er: »Ich bin Hakon, der Sohn des Knut. Ich komme als Freund. Ich suche eine junge Frau.« Er deutete eine weibliche Gestalt mit seinen Händen an und wiederholte: »Ich suche eine junge Frau.«
Die Eingeborenen folgten seinen Bewegungen und lachten. Der eine sagte etwas und der andere antwortete. Wieder lachten beide. Hakon verstand kein Wort, nahm aber an, dass der Mann mit dem Bogen eine anzügliche Bemerkung gemacht hatte. Immerhin waren ihre Waffen nicht mehr auf ihn gerichtet. Der Mann mit der Keule sagte etwas, dabei deutete er auf sich und seinen Begleiter. Es hörte sich wie Namen an.
»Hakon«, erwiderte er. Er griff sich an die Brust. »Ich bin Hakon.«
Plötzlich erstarrte der Krieger und deutete auf den Waldrand. Er zischte seinem Begleiter etwas zu und beide richteten wieder ihre Waffen auf ihn.
Hakon hob rasch die Hände. »Edwin«, erwiderte er. »Edwin.« Er wandte den Kopf und rief: »Edwin! Komm langsam zu mir! Nimm die Hände hoch!«
Edwin trat mit erhobenen Händen aus dem Wald. Die Kriegsaxt steckte in seinem Gürtel. Die silberne Klinge glänzte schwach im matten Licht.
Die fremden Krieger entspannten sich ein wenig, ohne ihre drohende Haltung aufzugeben. Erst als sie merkten, dass auch Edwin in freundlicher Absicht kam, nahmen sie die Waffen wieder herunter. Sie starrten auf die Kriegsaxt, schienen sich mehr für die Waffe als für Edwin zu interessieren.
Der Mann mit der Keule deutete auf die Axt und sagte etwas. »Er will die Kriegsaxt haben«, vermutete Hakon.
»Nur über meine Leiche.«
»Gib ihm dein Messer.«
Edwin zwang sich zu einem Lächeln und machte dem Eingeborenen klar, dass er die Waffe nicht haben konnte. Noch bevor der Krieger protestieren konnte, griff er mit der linken Hand an seinen Gürtel, sehr langsam und sehr vorsichtig, zog das Messer aus der Scheide und reichte es dem Krieger mit dem Griff voran. Die breite Klinge aus Metall glänzte im fahlen Nachtlicht.
Der Krieger schien kein Metall zu kennen und fuhr mit den Fingerkuppen über die scharfe Klinge. Als Blut aus seinen Fingern drang, erschrak er und lächelte gleich darauf. Er zog sein Steinmesser hinter dem Gürtel hervor und warf es ins Gras, zog eine Halskette aus Bärenklauen über den Kopf und reichte sie Edwin. Er sagte etwas, das Edwin nicht verstand.
Hakon bemerkte die Enttäuschung im Gesicht des anderen Mannes und lenkte rasch die Aufmerksamkeit auf sich. »Du bekommst auch ein Geschenk«, sagte er und zog sein eigenes Messer hervor. Er lächelte zufrieden, als der Krieger danach griff und es voller Bewunderung betrachtete. Da die Eingeborenen anscheinend jedes Geschenk mit einem eigenen erwiderten, nahm der Krieger eine Muschelkette vom Hals und übergab sie Hakon feierlich.
Hakon betrachtete die Muschelkette, die mit zwei kleinen Federn verziert war, und hängte sie sich um. »Eine schöne Kette«, sagte er, »sehr schön.«
Der Krieger deutete auf sein Schwert. »Großes Messer«, sagte er in seiner Sprache. »Ich will dein großes Messer haben. Gib es mir, fremder Mann!«
Hakon ahnte, was der Eingeborene wollte, und schüttelte entschieden den Kopf. »Mein Schwert gebe ich nicht her«, sagte er. »Ich brauche die Waffe.«
Die fremden Männer blickten einander abwägend an.
Hakon nahm an, dass sie überlegten, ob sie sich auf einen Kampf mit den blassen Männern einlassen sollten, doch bevor er etwas erwidern konnte, deutete einer der Krieger aufgeregt auf den Fluss hinab. Im nächsten Augenblick rannten beide wie von bösen Geistern gehetzt davon und hasteten zum Ufer.
Hakon und Edwin folgten ihnen zögernd und beobachteten erstaunt, wie sie wild paddelnd nach Westen davonfuhren. Sie
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