Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
Vom Netzwerk:
Deckung des anderen, auf die geringste Unvorsichtigkeit, die einen erfolgreichen Angriff ermöglichen könnte. Der Nieselregen kühlte ihre Gesichter, vom Himmel schien trübes Licht auf sie herab. Keiner von ihnen merkte, wie immer mehr Hofbewohner näher kamen, angeführt von Kolfinn und Gunnhild, die beide erschrocken stehen blieben und den Atem anhielten, als Folkmar nach vorne sprang und mit ausgeholtem Schwert auf Hakon losstürmte. Er schlug mehrere Male auf ihn ein und traf kein einziges Mal, jedes Mal war Hakon schneller und sprang blitzschnell zur Seite.
    Hakon wartete nicht, bis Folkmar wieder in Stellung gegangen war. Er setzte sofort nach und griff selbst an, erwischte ihn an der Hüfte und brachte ihn ins Straucheln. Mit erhobenem Schwert blieb er an ihm dran, stieß ihn mit dem Fuß zu Boden und holte zum tödlichen Schlag aus, aber Folkmar rollte sich gerade noch rechtzeitig zur Seite, und die Klinge von Hakons Schwert zerschnitt nasses Gras. Die Wucht seines eigenen Schlages brachte ihn ins Straucheln. Er fing sich rechtzeitig, wirbelte herum und parierte einen Schlag seines Widersachers. Als Folkmar zum nächsten Schlag ausholte, blockte Hakon den Schlag ab, ging seinerseits zum Angriff über und trieb Folkmar vor sich her.
    Schreiend wie ein Berserkir brachte Hakon ihn in ernsthafte Verlegenheit. Nafni hatte recht behalten, Folkmar war doch schwach auf den Beinen. Wenn man ihn bedrängte, verlor er seinen festen Stand und war so damit beschäftigt, sein Gleichgewicht zu halten, dass er die Deckung vernachlässigte. Die Wunde, die Hakon ihm an der Hüfte beigebracht hatte, schien ihm wenig auszumachen, obwohl sich sein Wams an dieser Stelle blutrot verfärbt hatte.
    Nach links und rechts schlagend drängte Hakon seinen Gegner zum Klippenrand. Die Nebelschwaden begleiteten ihn wie schwebende Geister, der Wind sang heulend dazu. Jetzt hab ich dich, dachte Hakon. Er sprang nach vorn und hieb dem nervösen Folkmar die Klinge in die andere Hüfte, beobachtete zufrieden, wie der sein Schwert fallen ließ, den Halt verlor und über den Klippenrand stürzte. Im letzten Augenblick gelang es ihm, sich an eine Felsleiste zu klammern, um den tödlichen Sturz in die schäumende Brandung zu vermeiden.
    Ein paar heftige Fußtritte hätten genügt, um Folkmar ins Totenreich zu schicken, doch Hakon tat nichts dergleichen. Zur Verwunderung der Zuschauer, die in respektvoller Entfernung standen, zog er seinen Gegner mit einer Hand auf die Klippen zurück. Er hob sogar dessen Schwert auf und reichte es ihm. »Du wirst sterben«, versicherte er ihm schwer atmend, »aber nicht so. Du sollst wie ein Krieger nach Walhalla kommen.«
    Folkmar nickte anerkennend. Wie jeder Nordmann zog er es vor, im Kampf zu sterben, nur dann würden ihn die Walküren nach Walhall bringen, um mit den Göttern in den letzten Kampf zu ziehen. Eine Anerkennung, keine Strafe. An der Seite von Odin und Thor würde er bei Ragnarök gegen die bösen Mächte der dunklen Welt kämpfen.
    Die Gewissheit, einen ehrenvollen Tod zu sterben, verlieh ihm neue Kräfte. Noch einmal stürmte er nach vorn, das Schwert in beiden Händen, und hieb auf Hakon ein. Doch sein Gesicht war blass geworden und aus seinen Augen die Zuversicht verschwunden. Er war zu geschwächt. Die Verletzungen waren schwerer, als er angenommen hatte, die Götter würden ihn zu sich holen. Die Verzweiflung im Gesicht drang er auf Hakon ein.
    Hakon hatte leichtes Spiel. Er wich der Klinge seines Widersachers aus, wartete geduldig, bis Folkmar sich umdrehte und aufrichtete, und hieb ihm dann die geschliffene Klinge seines neuen Schwertes mit voller Wucht in die Brust.
    Folkmar erstarrte mitten in der Bewegung, blickte verwundert auf die blutende Wunde in seiner Brust und ließ seine Waffe fallen. Nach Luft ringend taumelte er zurück und fiel über den Klippenrand. Er schrie nicht einmal, als er in den dunklen Abgrund stürzte.

Ayasha
    7
    Der klagende Schrei einer Eule holte Ayasha aus dem Schlaf. Sie fuhr von ihren Fellen hoch und blickte erschrocken in das trübe Halbdunkel. Das Feuer in dem kuppelförmigen Wigwam war fast heruntergebrannt, nur noch wenige Flammen züngelten vom verkohlten Holz empor. Durch den Rauchabzug im Hüttendach waren der Halbmond und die Sterne zu sehen.
    Wieder meldete sich die Eule, diesmal aus weiter Entfernung. Wenn eine Eule rief, war der Tod nicht weit, dann geschah in der Nähe ein großes Unglück, so war es immer gewesen. Wer einer Eule begegnete oder

Weitere Kostenlose Bücher