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Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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abwehrend die Hände. »Ich weiß, ich weiß, dieser Gott hat einen Namen, den wir kaum aussprechen können, und viele von euch glauben, er sei ein Feigling und habe sich wie ein Sklave ans Kreuz schlagen lassen, ohne nach dem Schwert zu greifen. Das ist wahr, meine Freunde, aber er hat es für uns getan, weil er uns nur auf diese Weise von der Schuld befreien konnte, die wir in unserem Leben auf uns geladen haben.«
    Hakon hörte interessiert zu. Bevor er nach Eisland zurückgekehrt war, hatte er kaum einen Gedanken an den Glauben der Pfaffen verschwendet. Noch vor wenigen Wintern war niemand in Eisland an dem neuen Gott interessiert gewesen. Das Christentum war etwas für weichherzige Pfaffen, die keine Waffen trugen und sich von ihren Feinden abschlachten ließen. Seit er Patrick getroffen hatte, war er zumindest bereit, einem Mann wie Gizur zuzuhören. Er berührte das Kreuz an seinem Hals und lauschte angestrengt.
    »Jesus Christus verspricht uns ein anderes Jenseits«, fuhr Gizur fort. Seine kräftige Stimme hallte von den Felswänden wider. »Ein Paradies, in dem es keine Sorgen und keinen Schmerz gibt. Der Erzengel Gabriel, ein strenger und gerechter Mann mit einem zweischneidigen Schwert, empfängt uns am Himmelstor. Die Unwürdigen schickt er in die Hölle, einen Ort der ewigen Finsternis, in dem sie nur Schmerz und endloses Leid fühlen, doch die Tapferen und Fleißigen schickt er in blühende Gärten, wo die Fleischtöpfe und die Kessel mit dem Met stets gefüllt sind. Die himmlischen Heerscharen, ein Aufgebot prächtig gekleideter Männer und Frauen, werden aufmarschieren und die Helden mit fröhlichen Liedern und Gedichten beglücken. Gelobt sei Jesus Christus, unser Gott, der Retter unserer Seelen. Amen.«
    »Amen«, sprach ihm die Hälfte der Zuhörer nach, auch Hakon kam es unwillkürlich über die Lippen, obwohl er die Bedeutung nicht kannte. Die andere Hälfte reagierte verwirrt oder ablehnend, und vereinzelte aufgebrachte Stimmen forderten sogar, »den verdammten Pfaffenfreund« den Fischen vorzuwerfen.
    Auf dem Felsen, der auch als Gesetzesfelsen bekannt war, weil dort neue Bestimmungen verkündet wurden, schob sich Hjalti nach vorn. »Der neue Glaube ist gut«, tönte seine sonore Stimme vom Felsen herab. »Wenn ihr so lebt, wie es dem neuen Gott gefällt, werdet ihr ewig leben, so verspricht es uns der Herr. Lasst von der Blutrache ab, meine Freunde, nur unserem neuen Gott ist es gestattet, einen Krieger zu bestrafen. Verkauft eure Sklaven, denn vor dem neuen Gott sind alle Menschen gleich. Lasst euch taufen und nehmt den neuen Glauben an, so wie es König Olaf und viele eurer Landsleute bereits getan haben. Gelobt sei Jesus Christus, unser Gott!«
    Wieder schallte ein hundertfaches »Amen!« durch die Schlucht, doch gleichzeitig wurden Schwerter gezückt und wilde Drohungen ausgestoßen, und auch Hakon schüttelte ungläubig den Kopf. Sie sollten sich alle taufen lassen?
    Hjalti hob beide Hände, bis wieder Ruhe eingekehrt war. »Niemand zwingt euch, den neuen Gott zu verehren, meine Freunde. Aber denkt daran, dass die Menschen in der alten Heimat und viele unserer Nachbarn an ihn glauben. Er kann uns von großem Nutzen sein. Denkt daran, wenn ihr darüber beratet!«
    Der letzte Satz war für Thorgeir bestimmt, der neben die beiden Missionare getreten war und den Eisländern mitteilte, dass die Lögretta über den neuen Glauben beraten würde. Anscheinend beschäftigten sich die Rechtssprecher schon länger mit der Pfaffenreligion. Hakon blickte verwundert auf das silberne Kreuz auf seiner Brust hinab. Auf Ivars Hof hatte niemand von dem Christengott gesprochen.
    Hakon lehnte sich zurück und schloss die Augen. So viele Dinge stürzten auf ihn ein, sein erster Raubzug, das Bild der jungen Frau in dem Buch, seine Begegnung mit Kolfinn und Gunnhild, die Flucht aus Haithabu … und jetzt sollte er sich auch noch mit einem neuen Gott beschäftigen. Hatten sie denn nicht schon genug Götter?
    Eine Gestalt erschien vor dem Eingang der Hütte. »Ich bringe das Essen für den Gefangenen«, hörte Hakon jemanden im unterwürfigen Tonfall eines Sklaven sagen. Gleich darauf tauchte ein junger Mann mit einer Schüssel in der Hütte auf. Als er Hakon die Schüssel mit dem Eintopf reichte, fiel flackerndes Licht auf sein Gesicht.
    »Edwin!«, rief Hakon überrascht.
    »Hakon!« Der Sklave war nicht minder verblüfft. »Du hier?« Er blickte sich vorsichtig nach dem Krieger vor dem Eingang um und senkte

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