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Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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Thorgeir auf dem Rechtsfelsen standen, hob sein Horn und blies so lange hinein, bis sich die Aufregung legte. Doch die Zuhörer waren immer noch unruhig, als der Rechtssprecher fortfuhr: »Hört mich an, meine Freunde! Es kann nicht sein, dass unsere Gesetze nur noch für einen Teil unseres Volkes gelten. Es würde Mord und Totschlag geben und Eisland würde zu einer verlassenen Insel. Deshalb haben wir beschlossen, uns im Namen von Jesus Christus taufen zu lassen und den neuen Glauben anzunehmen. Doch …«, und diesmal legte er eine Pause ein, um seine Worte besser wirken zu lassen, »… doch wir lassen uns die alten Götter nicht verbieten.«
    Diesmal schimpften die Anhänger des Christentums, und die Verfechter des alten Glaubens gaben lautstark ihre Zustimmung kund. Wieder brachte sie das Horn zum Schweigen. Gespannt blickten sie zum Rechtsfelsen empor.
    »Niemand hat etwas dagegen, wenn ihr Odin und Thor die Verehrung entgegenbringt, die sie verdient haben. Die Zeiten sind hart und wir können jeden Beistand gebrauchen. Ein Gott ist nicht genug. Niemand wird euch bestrafen, wenn ihr neugeborene Kinder aussetzt, weil ihr sie nicht ernähren könnt. Niemand wird euch das Essen von Pferdefleisch verbieten. Zahlt euren Sklaven einen geringen Lohn, damit sie keine Sklaven mehr sind. Und wenn ihr Opfer bringen wollt, um die alten Götter zu versöhnen … nun, wo es keine Zeugen gibt, braucht man auch keinen Richter. Heißt den neuen Gott in unserer Welt willkommen und erweist ihm die Ehre, indem ihr euch taufen lasst. So haben wir es beschlossen. Bei Odin und Thor, gelobt sei Jesus Christus!«

23
    Am frühen Morgen erschien Gunnar in der offenen Tür. Er schickte den jungen Krieger, der die ganze Nacht vor der Hütte gewacht hatte, weg und durchtrennte die Fußfesseln seines Gefangenen. »Es ist so weit«, verkündete er leise. »Die Männer vom Thing warten auf dich.«
    Hakon massierte seine Fußgelenke mit den gefesselten Händen und erhob sich ächzend. Er hatte schlecht geschlafen und seine Knochen schmerzten vom gekrümmten Liegen, aber er verzog keine Miene, als er Gunnar nach draußen folgte. Der frische Morgenwind traf ihn mit vereinzelten Regentropfen. Der Rechtsfelsen lag schwarz und verlassen unter dem grauen Himmel.
    Die meisten Menschen schliefen noch. Sie hatten nach der wichtigen Gesetzesverkündung bis in die späte Nacht gefeiert oder waren über die Entscheidung der Lögretta so aufgebracht, dass sie kein Auge zutun konnten. Nur vereinzelt brannten schon Feuer vor den Hütten. Zwei Sklaven kehrten mit einem Wasserbehälter vom See zurück und stellten ihn auf einen Holzklotz.
    Hakon war nervös und immer noch unsicher, ob er das Richtige getan hatte. Mit gemischten Gefühlen betrat er die Seitenschlucht, in der das Thing tagte. Er straffte seine Gestalt, als er die Würdenträger auf den Bänken sitzen sah. Ihre ernsten Blicke verrieten ihm, dass sie sich die Entscheidung nicht leicht machten.
    Ivar würde auf jeden Fall für seinen Tod stimmen. Er saß in der obersten Reihe, einen warmen Umhang über den Schultern, und machte einen so zufriedenen Eindruck, dass Hakon das Schlimmste befürchtete. Als er vor die Würdenträger trat, reckte Ivar höhnisch lachend das Buch empor.
    Hakon wollte sich trotz seiner gefesselten Hände auf Ivar stürzen, doch Gunnar bekam ihn gerade noch rechtzeitig zu fassen und drängte ihn auf seinen Platz zurück. Hakon wand sich wütend in seinen Armen. »Gebt mir ein Schwert, und ich gebe diesem Schweinehund den Rest!«, tobte er.
    »Da habt ihr es!«, rief Ivar. »Der Kerl ist von Sinnen! Er weiß nicht, was er tut! Wegen dieses Buches, das er seiner Sippe gestohlen hatte, verließ er seine Sippe, und nur Odin oder dieser neue Christengott wissen, wen er noch betrogen und ermordet hat.«
    »Ist das wahr?«, fragte Thorgeir. Er war blasser als sonst und hatte sich in einen Pelz gehüllt.
    Hakon beruhigte sich. »Nein«, antwortete er, »beide Männer wollten meinen Tod. Ich habe mich nur verteidigt. Ingolf folgte mir in Danmark und griff mich zu Pferde an, obwohl ich verletzt und zu Fuß war, und Bekan stürzte sich an der Küste auf mich, nachdem er einen Pfaffen getötet hatte.«
    »Das ist nicht wahr!«, erwiderte Ivar. »Ingolf war selbst verletzt, als er dir folgte, und er stieg nur auf ein Pferd, weil du ihm in Haithabu aufgelauert hattest. Aus dem Hinterhalt hast du ihn überfallen, zusammen mit dem Sklaven, den du ihm gestohlen hattest. Und Bekan hast du wie

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