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Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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Und diese Krieger schienen fest entschlossen zu sein, sie unversehrt und würdig in ihr Dorf zu bringen.
    Aber warum?
    Gegen Abend erreichten sie das Ufer eines breiten Flusses, dessen Wasser im Licht der untergehenden Sonne wie flüssiges Gold glänzte. Im Schilf lagen die beiden Kanus der fremden Krieger versteckt, etwas größer und aus einem härteren Holz als die Boote ihres Volkes gefertigt. Die Krieger schienen in diesem Teil der Wälder keine Feinde zu haben und wagten sogar, ein kleines Feuer anzuzünden. Man half ihr von der Trage, breitete die Felle unter einem Baum aus und bedeutete ihr durch eine Handbewegung, sich zu setzen.
    Zwei Krieger, die sich unterwegs abgesetzt hatten, kehrten mit einigen erlegten Wachteln zurück. Sie warteten geduldig, bis das Fleisch über dem Feuer gebraten war, und reichten ihr eines der besten Stücke. Dazu brachte man ihr frisches Wasser in einem irdenen Gefäß, das mit seltsamen Mustern verziert war. Diese Männer mussten von weit her kommen, von jenseits des großen Flusses, der die Wälder teilte und sein schlammiges Wasser nach Süden trieb.
    Obwohl die fremden Krieger sie so respektvoll behandelten, blieb Ayasha misstrauisch. Sie wollte ihr Volk nicht verlassen, nicht einmal, um die Frau eines angesehenen Herrschers oder Kriegers zu werden. Seit sie in ihrer Vision den Mann mit den gelben Haaren gesehen hatte, gab es für sie nur noch ihn. Kitche Manitu hatte ihn geschickt, und obwohl er ihr lediglich in einem Traum erschienen war, gab es ihn, denn Träume waren wahr, so lehrten es die heiligen Männer und Frauen ihres Volkes. Sie würde keinen Mann ihrer Farbe heiraten, weder von ihrem noch von einem fremden Volk.
    In dieser Nacht schlief sie sehr unruhig. Hektische Bilder drangen in ihre Gedanken und ließen sie mehrmals die Augen öffnen, ohne dass sie sich an eines erinnern konnte. Doch dann wurden sie ruhiger, und sie sah plötzlich klar, erkannte das rot-weiße Gefieder des riesigen Vogels, der schon einmal durch ihre Träume gesegelt war. In der Mitte des breiten Flusses, so weit entfernt, dass er kaum zu erkennen war, glitt der Vogel vorbei, und sie glaubte, den Mann mit den gelben Haaren auf seinem Rücken sitzen zu sehen. »Komm zu mir!«, hörte sie ihn rufen.
    Sie schreckte aus dem Schlaf und blickte angespannt auf den Fluss hinaus. Helles Mondlicht spiegelte sich auf dem Wasser. Der Vogel mit dem rot-weißen Gefieder war nicht zu sehen. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen und stützte sich auf die Ellbogen. Bis auf einen Krieger, der abseits des erloschenen Feuers in der Dunkelheit wachte, schliefen alle. Der Anführer schnarchte leise. In der Luft hing noch der Duft der gebratenen Vögel.
    Sie durfte nicht bei diesen Fremden bleiben. Seitdem sie den Mann mit den gelben Haaren auf dem großen Fluss gesehen hatte, wusste sie, dass sie ihn treffen musste. Selbst wenn die Krieger ihr keinen Schmerz zufügen wollten, würde man sie in ein Dorf bringen, das weit entfernt lag. Sie musste den Kriegern entkommen und zum großen Wasser laufen, denn von dort war der Fremde gekommen.
    Sie wartete, bis die Wache sich abwandte, und erhob sich vorsichtig. Ein paar rasche Bewegungen genügten, um die Felle so zu stapeln, dass man ihr Verschwinden nicht sofort bemerken würde, dann tauchte sie im Wald unter und rannte davon. So leise wie möglich schlich sie über einen schmalen Wildpfad am Ufer des großen Flusses nach Norden, den Wigwams ihres Volkes entgegen. Der Mond spendete nur spärliches Licht, und sie holte sich blutige Schrammen im Geäst, aber nichts konnte sie aufhalten, auch nicht der Stamm eines Laubbaumes, den sie in der Dunkelheit übersah und schmerzhaft mit der Schulter streifte.
    Nachdem sie glaubte, weit genug vom Lagerplatz entfernt zu sein, blieb sie stehen und schnappte nach Luft. Ihr Atem ging rasselnd, so schnell war sie gelaufen. Sie sank auf die Knie und merkte gar nicht, wie ein Schatten über ihren Körper fiel und der Anführer der fremden Krieger hinter sie trat. Anscheinend war er aufgewacht und ihr nachgeschlichen. Als er seine Hand auf ihre Schulter legte, zuckte sie zusammen und starrte ihn entgeistert an. Und im selben Augenblick wusste sie, dass sie auch ohne Fesseln eine Gefangene war.

HAKON
    27
    Mit wilder Entschlossenheit, wie sie Nordmänner im Angesicht eines Sturmes zeigten, brachte Thorwald die Knorr durch das tobende Unwetter. Zusammen mit dem Steuermann stemmte er sich gegen die Ruderpinne, das Gesicht vor Anstrengung

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