Der Stein der Wikinger
denen einige unserer Jäger weit im Norden begegnet sind, haben dunkle Haare und dunkle Augen, und ihre Haut ist dunkler als unsere. Aber sie sind hässlich.«
»Dann gehört sie nicht zu ihnen. Die Frau, die ich meine, ist schön.«
›Vielleicht gibt es sie nur in deinen Träumen?«
»Ich habe ihr Bild gesehen. Es muss sie geben.«
Thorwald blickte in den nebligen Dunst. »Vielleicht lebt sie in dem fernen Land, das mein Bruder Leif erforscht. Erinnerst du dich an Bjarni, den Seefahrer?«
»Ich habe von ihm gehört«, bestätigte Hakon. »Er will ein fernes Land am Rande der Erde gesehen haben, war aber zu feige, es zu erkunden. Die Leute, mit denen ich gesprochen habe, glauben alle, dass er Grünland gesehen hat.«
»Bjarni war hier, das ist wahr. Und ob er ein Feigling war, vermag ich nicht zu sagen. Aber er ist auch weiter nach Westen gesegelt. Er behauptet, es wäre zu stürmisch gewesen, um an Land zu gehen. Ich glaube, er sagt die Wahrheit. In der Westsiedlung wohnt ein Mann, der an Bord seines Schiffes war. Ein erfolgreicher Walfänger und Fischer, der den ganzen Sommer vor unserer Küste verbringt und jeden Fjord und jede Strömung kennt. Er sagt, sie hätten damals ein unbekanntes Land gesehen.«
Hakon dachte an die Worte des Pfaffen, der in seinem Buch geblättert hatte. Auch er hatte von einem unbekannten Land gesprochen. War der Mönch, der das Bild der bronzehäutigen Frau gemalt hatte, im dem Land gewesen, dessen Küste Bjarni gesehen hatte? War er nur wenige Tagesreisen von ihm entfernt?
»Und dein Bruder Leif segelt auf seinen Spuren?«, fragte er.
»Er folgt dem Kurs, den der Seemann aus der Westsiedlung ihm gegeben hat. Er will das fremde Land erkunden, bevor er eine Siedlung gründet und Familien in das neue Land bringt. Seit letztem Sommer ist er unterwegs. Wenn die Reise planmäßig verläuft, muss er vor dem Winter zurückkehren.«
»Dein Bruder ist ein mutiger Mann.«
»Eigentlich wollte mein Vater fahren. Er hat zwar bereits fünfzig Winter gesehen, mehr als jeder andere Mann in dieser Gegend, doch wenn er sich nicht ein Bein gebrochen hätte, wäre er wohl noch einmal losgezogen. Leif ist der beste Seefahrer, den ich kenne. Ein Landsucher, den es niemals lange an einem Fleck hält. Nächsten Sommer will ich seinen Spuren folgen.«
»Ich werde mit dir gehen.«
Thorwald berührte seine Schulter. »Das hatte ich gehofft, mein Freund.«
Sie hatten das Ende des Fjords erreicht und machten an der steinernen Mole fest. Einige Familien, die gesehen hatten, wie sie in den Fjord gefahren waren, warteten bereits und begrüßten sie freundlich. Ein Hund sprang bellend zwischen ihren Beinen herum. Es war kühler als in Eisland, sogar hier im windgeschützten Fjord, und die grauen Wolken, die an den dunklen Felswänden zu hängen schienen, ließen kaum erahnen, dass es auch in diesem Teil der Erde eine Sonne gab. In den Felsen kreischten Seevögel.
Thorwald schlug ein Kreuz und sprach ein leises Gebet, dann gab er den Befehl, das Segel einzuholen und den Mast aus seiner Verankerung zu lösen. Hakon half den Frauen und Kindern beim Aussteigen und zog gemeinsam mit anderen die überlebenden Tiere an Stricken aus dem Frachtraum. Über die Hügel kamen Ochsenkarren, gefolgt von einem guten Dutzend junger Sklaven, die sogleich damit begannen, die Kisten, Fässer und Säcke auf die Wagen zu laden.
»Die Sklaven meines Vaters«, erklärte Thorwald, der offensichtlich gar nicht damit einverstanden war, dass Erik der Rote noch immer Unfreie hatte. »Aber ich habe die Hoffnung, dass er den richtigen Weg geht, längst aufgegeben.« Er grinste. »Immerhin hat er sich breitschlagen lassen, meiner Mutter eine Kapelle zu bauen.«
»Und es gibt niemals Streit?», wunderte sich Hakon.
Thorwald lachte. »Oh, es vergeht kein Tag, an dem sie nicht streiten. Meine Mutter ist eine starke Frau, musst du wissen, sonst hätte sie es bestimmt nicht so lange bei meinem Vater ausgehalten. Sie hat nicht nur die Schlüssel am Kleid hängen. Sie bestimmt, was im Haus passiert.« Er senkte die Stimme. »Aber sag das nicht zu laut, sonst bekommst du sein Schwert zu spüren.«
»Ich werde daran denken, mein Freund.«
Sie überließen die Arbeit den Sklaven und stiegen über den Karrenweg zur Siedlung hinauf. Edwin blieb hinter ihnen, fühlte sich immer noch als Sklave, obwohl er das Wams eines Nordmannes trug und sich nur durch seine dunklen Haare von den anderen Männern unterschied. In Grünland gab es einige
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