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Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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peitschen.
    Ein vertrauter Anblick für Hakon, der solch riesige Tiere auch vor der Küste von Eisland gesehen hatte, und doch beeindruckend, weil der Wal bis dicht an ihr Schiff herankam und es beinahe mit seinem Körper berührte, als er sich in der Strömung treiben ließ. Eines der Kinder schrie vor Angst auf, als die Schwanzflosse aus dem Wasser fuhr und einen dunklen Schatten über den Frachtraum warf. Der Wal tauchte ab und hinterließ heftige Wellen, die das Schiff auf die Seite warfen und unruhig schaukeln ließen. Einige Zeit später tauchte der Wal weit hinter ihnen auf, und die Fontäne aus seinem Atemloch spritzte bis zu ihnen.
    Der Morgen war noch jung und trübe Dunstschleier zogen über das Meer. Als der Wind auffrischte und sie vertrieb, hob er den Vorhang vor einem gewaltigen Schauspiel, das Hakon in diesem Ausmaß nicht mal vor der Gletscherküste im eisländischen Süden gesehen hatte. Monumentale Eisberge zogen an ihnen vorbei, fantasievolle Gebilde, die ihr Schiff um mehrere Masthöhen überragten, wie mit einem riesigen Messer in kantige Klötze zerteilt und von unsichtbarer Riesenhand so glatt geschliffen wie eine Streitaxt. Wie Wesen aus einer anderen Welt zogen sie an ihrem Schiff vorbei, wie die weißen Burgen eines Volkes, das unter dem Wasser in einer anderen Welt lebte. Selbst erfahrene Krieger zuckten zusammen, wenn sich ein Teil löste und mit lautem Getöse ins Meer stürzte und das Wasser aufwühlte.
    »An die Ruder! Haltet Abstand von den Eisbergen!«, befahl Thorwald.
    Hakon saß bereits an seinem Platz und zog das Ruder langsam durch die stille See. Man hörte das Wasser plätschern, so leise war es. Eine andächtige Stille, die zur Parade der eisigen Riesen passte und die Männer flüstern oder ehrfurchtsvoll schweigen ließ. Die Anweisungen des Steuermanns klangen unnatürlich laut und hallten als vielfaches Echo nach. Dicht, manchmal zu dicht ruderten sie an den Eisbergen vorbei und hielten auf die Küste zu, die mit dunklen Felsen und grünen Wiesen aus dem Nebel tauchte.
    Am Packeis entlang segelten sie nach Westen, bis sie einen eisfreien Fjord erreichten, der sich weit ins Landesinnere zog und in einer geschützten Bucht mit steilen Hängen endete. Hakon hatte Edwin sein Ruder überlassen und stand neben Thorwald am Vordersteven, hielt sich mit einer Hand an einem gespannten Tau fest und blickte neugierig in den leichten Dunst, der zwischen den dunklen Felsen und den grünen Wiesen hing. Die Einfahrt erinnerte ihn an die Schafsinseln, und als er für einen Moment die Augen schloss, sah er Gunnhild, die einen hohen Preis für ihre Rachsucht bezahlt hatte. Sie tat ihm leid und er hatte kein reines Gewissen. Es war auch seine Schuld, dass ihr Körper jetzt auf dem Meeresgrund lag. Er hatte sogar ihren einzigen Verehrer getötet.
    »Der Eriksfjord«, störte Thorwald seine Gedanken, »mein Vater hat ihm seinen Namen gegeben. Das Land ist nicht so fruchtbar wie in der alten Heimat, und die Winter sind noch kälter und dunkler als in Eisland, aber ein starker Nordmann wie du wird auch hier sein Auskommen finden.«
    »Gibt es noch freies Land in Brattahlid?«, fragte Hakon. Brattahlid war der Name der Ostsiedlung, die aus über hundert Bauernhöfen bestand und über mehrere Fjorde verteilt war. »Gibt es einen Platz für mich?«
    »Für einen Mann, der einem Sturm so furchtlos ins Auge blickt wie du und an den neuen Christengott glaubt, gibt es überall Platz«, antwortete Thorwald. »Du kannst den kleinen Hof neben unserem haben. Der Besitzer, ein alter Mann, wurde im letzten Winter von einem Eisbären getötet. Du hast genug Silber, um dir einige Rinder und Schafe zuzulegen. Es gibt gutes Grasland.«
    »Und den Hof? Wie bezahle ich den?«
    Thorwald lächelte. »Wenn du mit dem Schwert umgehen kannst, wird ihn dir niemand streitig machen. Wir brauchen Männer wie dich, Hakon. Wer weiß, vielleicht lebt die Frau, die du in dem heiligen Buch gesehen hast, ja auf einem der Nachbarhöfe? Heirate sie und setze viele Kinder in die Welt!«
    »Die Frau, die ich suche, gehört nicht zu unserem Volk«, erwiderte Hakon. »Ihre Haut ist bronzefarben, wie dunkler Bernstein, und ihre Haare sind dunkel und leuchten wie das Gefieder eines Raben, wenn sie im Feuerschein sitzt. So habe ich sie in meinen Träumen gesehen. Und ihre Augen sind ebenfalls dunkel und scheinen dich zu verzaubern. Gibt es solche Frauen in diesem Land?«
    Thorwald überlegte eine Weile. »Nicht in Brattahlid. Die Wilden,

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