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Der Stein - Hohler, F: Stein

Der Stein - Hohler, F: Stein

Titel: Der Stein - Hohler, F: Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Hohler
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schildern, und sooft sie mich den kleinen gelben Bleistiftstummel auch spitzen lassen, er nützt sich nicht ab, und das Buch scheint unendlich viele Seiten zu haben.
    2
    Als ich den kleinen gelben Bleistiftstummel auflas, der neben einem halb beschriebenen Einkaufszettel auf dem gepflasterten Weg in der Nähe einer Turmruine lag, ahnte ich nicht, welche Folgen das für mich haben würde.
    Der Stummel in meiner Hand wurde schwer, und er verwandelte sich in einen goldenen Stift, dessen Spitze gegen den Turm wies, nach dem es mich nun mit unwiderstehlicher Kraft zog.
    Ich ging zum Turm, wurde vom Stift um diesen herumgeleitet, und auf der Rückseite sprang er mir aus der Hand und bohrte sich vor einem wilden Kirschbaum in den Boden. Konnte man es mir verargen, dass ich den rostigen Spaten, der an der Turmmauer lehnte, ergriff und ihn so lange in den Boden rammte, bis er auf etwas Hartes stieß? Und die Truhe, die ich jetzt ausgrub, wer von uns hätte sie nicht gehoben, und wer von uns hätte das Schloss, das sich leicht öffnen ließ, nicht aufgesperrt? Und die Bulldogge, die jetzt aus der Truhe schnellte und mich anfiel, wer hätte ihr nicht den Spaten in die aufgerissene Schnauze gestoßen?
    Und als nun ein Mann in einem langen schwarzen Mantel aus dem Turm trat, den toten Hund sah und zu mir sagte, ich müsse ihm das Tier mit einem goldenen Stift vergüten – war es da nicht richtig, ihm den Stift auszuhändigen und mich, eine Entschuldigung murmelnd, auf den Weiterweg zu machen?

    Wie konnte ich wissen, dass mich der Schwarzbemäntelte alsogleich in einen kleinen gelben Bleistiftstummel verwandelte, dem als Einziges, was er noch tun konnte, blieb, seine Geschichte auf dem Einkaufszettel aufzuschreiben, unter den Wörtern Brot, Milch, Halbrahm, Heidelbeerjogurt, Streichhölzer?
    3
    Gerade war mir, als ich auf meinem Spaziergang an einem alten, verfallenen Turm vorbeikam, die Anfangszeile eines Liedes in den Sinn gekommen, und ich merkte, dass ich zwar ein Notizblöcklein bei mir hatte, jedoch nichts zum Schreiben.
    Da fiel mein Blick auf einen kleinen gelben Bleistiftstummel, der vor mir auf dem gepflasterten Fußweg lag. Ich bückte mich, ergriff ihn, schrieb die Zeile auf, und sogleich fielen mir alle andern Zeilen ein, die das Lied haben sollte, und ich schickte sie noch am selben Abend dem Komponisten, der darauf wartete.
    Das war vor etwa 30 Jahren. Das Lied wurde ein Welthit, der mir jedes Jahr so viel einbrachte, dass ich sonst nichts mehr zu schreiben brauchte.
    Für den kleinen gelben Bleistiftstummel ließ ich mir eine Glasvitrine mit einem roten Sammetkissen machen, die ich auf ein Regal stellte, umgeben von all den goldenen Schallplatten, die er mir eingebracht hatte.
    Mehr als einmal nahm ich ihn heraus und brachte damit noch die verschiedensten Lieder zu Papier, ich ging sogar mit ihm spazieren, warf ihn auf den Boden und las ihn auf, um dann ein Lied in mein Notizbüchlein zu schreiben, und die meisten davon schienen mir besser, gelungener, geschliffener, aber kein Einziges davon hatte auch nur annähernd denselben Erfolg.
    4
    Seltsames passierte, als ich während eines Spaziergangs, einer Laune folgend, einen kleinen gelben Bleistiftstummel vom Boden eines gepflasterten Weges auflas.
    Ein alter Turm, der in der Nähe stand, fiel polternd und krachend in sich zusammen, ein Rudel Wölfe brach aus einem Waldrand hervor und fiel in das Dorf ein, das ich eben verlassen hatte, ein Frachtflugzeug, aus dessen Triebwerken Flammen schlugen, raste knapp über die Dächer des Dorfes und stürzte in die Weinberge dahinter, in die es einen rauchenden Trichter riss, auf dem Friedhof neben der Kirche taten sich die Gräber auf, und eine Prozession von Toten erhob sich und schlug psalmodierend den Weg zum Autobahnzubringer ein.
    Als ich, vom Schrecken gezeichnet, im Haus meiner Freunde ankam, bei denen ich zu Gast war, schwenkten diese einen Zettel mit der Nachricht, mein Theaterstück, an dem ich drei Jahre gearbeitet hatte, sei vom Burgtheater Wien zur Uraufführung angenommen worden.
    Sonst aber blieb alles beim Alten.
    5
    Ich zögerte einen Moment, als ich bei einem meiner Spaziergänge in der Nähe eines alten, verfallenen Turms einen kleinen gelben Bleistiftstummel auf einem gepflasterten Weg liegen sah. Er war ziemlich verschmutzt, und es konnte gut sein, dass der Rest seiner Mine gebrochen war.
    Doch meine Liebe zu Bleistiften siegte.
    Ich las den Stummel auf, nahm ihn mit nach Hause, wusch ihn, und wie die

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