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Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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Verbindung. »Der Sheriff nimmt die nächste Ausfahrt. In ein paar Minuten wird er hier sein.«
    Mallory sah prüfend in Iras Pupillen. Er hielt sich tapfer - viel besser als Darlene.
    Mallory hatte ihre eigene Art, Trost zu spenden. »Ich weiß, wer es war«, sagte sie zu Ira. »Ich bring ihn für dich um, okay?«
    Darlene schüttelte verwirrt den Kopf. »Nein, Kathy«, sagte sie mütterlich und packte Mallory am Arm. »Cass wäre das nicht recht, und ich möchte es auch nicht. Irgendwann muss Schluss sein.«
    Mallory machte sich sanft los, stand auf und setzte ungerührt ihren Weg durch den Friedhof fort. »Kathy«, rief Darlene ihr nach, »Kathy, bring keine Menschen um!«
    Mallory erkannte in ihrer Stimme den gleichen besorgten Ton, in dem ihre Mutter sie einmal davor gewarnt hatte, einen im Garten gefundenen toten Vogel anzufassen. Im Gehen überprüfte sie die Kammern ihres Revolvers. Darlenes Rufen schenkte sie keine Beachtung.
    Mallory war auf dem Weg nach Owltown.
     
    Augusta legte ein Auge an ihr Fernrohr, und Charles hatte nicht den Eindruck, dass sie in diesem Augenblick das Leben und Treiben in der Natur verfolgte. »Beobachten Sie Ihre Vögel, Augusta?«
    »Im Augenblick nicht. Allerdings will ich gern zugeben, dass mich Vögel mehr interessieren als Menschen. Menschen morden sanfter. Nehmen Sie den Mord an Cass. Ein Töten ohne Leidenschaft! Sie sollten die Eulen und Falken sehen, wenn sie ihre Beute zerreißen. Aber der Tod kommt schnell. Ein Lidschlag genügt, und er ist einem entgangen.«
    »Ich wette, Ihnen entgeht so schnell nichts von dem, was hier herum so getötet wird.« Was beobachtete sie gerade?
    »Ach, ich weiß nicht ... Manchmal betrachte ich auch die Sterne. Aber nicht mal da draußen geht es ohne Gewalttätigkeit ab. Die Welt wirbelt in atemberaubendem Tempo durchs All. Ich versuche, mich einfach zurückzulehnen und treiben zu lassen. Das kann ich Ihnen auch empfehlen.«
    Doch heute Abend war ihr Fernrohr nicht auf die Sterne gerichtet. »Die passive Rolle nehme ich Ihnen nicht ab. Sie spielen aktiv auf der Bühne mit.«
    »Sie haben sich wohl Geschichten erzählen lassen.« Sie lächelte, ohne den Blick vom Fernrohr abzuwenden. »Wahre Geschichten, Charles. Ich bin eine Mörderin. Eine Tochter, die den eigenen Vater umgebracht hat.«
    »Das meine ich nicht.«
    »Ihr Freund Riker steckt in der Klemme. Sie haben ihn umzingelt.«
    Charles riss ihr das Glas aus der Hand. Augusta half ihm geduldig, es wieder auf den Festplatz scharf zu stellen, auf dem das große Zirkuszelt gestanden hatte. Jetzt war es ein großer, mit bunten Lichtern bestückter Tieflader, der dort alle Blicke auf sich zog. Auf Masten montierte Scheinwerfer tauchten den Wagen in gleißendes Licht, und auf der Ladefläche stand ein Sarg mit gläsernem Deckel, der Charles wie ein Schaukasten für präparierte Insekten vorkam.
    An die hundert Menschen torkelten, Flaschen und Pappbecher schwenkend, um den Tieflader herum. Die Frauen trugen grellfarbene Partykleider und billigen Modeschmuck. Sogar einige Männer hatten Flitter an den Anzügen, und hier und da sah man Kostüme, die eher auf einen Faschingszug als eine Beerdigung schließen ließen. Eine Blaskapelle stand bereit, und ein Stelzenläufer mit silbernen Papierschlangen in beiden Händen stakste durch die Menge.
    Außer dem Sarg stand noch ein goldfarbener, thronartiger Sessel auf der Ladefläche. Dort spreizte sich Malcolm Laurie in seinem funkelnden Paillettenanzug. Er deutete in die Menge hinein, die jetzt ein Stück zurückwich. In dem so entstandenen leeren Rund stand - gewissermaßen als Gegenpol zu all dem Glanz und Glitzer - einsam und allein ein Mann im tristen grauen Anzug.

26
    Charles stürmte die Treppe hinunter und durch den Flur in Augustas Hinterzimmer. Er wollte gerade nach dem altmodischen Telefonhörer greifen, als er den Zettel sah, der auf dem Tisch lag. »Ich gehe zum Büro des Sheriffs, um zu sehen, was mit Riker los ist. Bleib, wo du bist.«
    Der letzte Satz war so dick unterstrichen, dass er Mallory förmlich in die Augen stach.
    Er inspizierte noch das abgerissene Telefonkabel, als Augusta an ihm vorbei zu der Kommode in der Ecke lief.
    »Ein Trupp Männer kommt über die Brücke.« Sie wühlte in der obersten Schublade herum. Intime Wäschestücke flogen durch die Luft. »Wir müssen weg, und zwar schnell.« Jetzt hatte sie glücklich die kleine Handfeuerwaffe gefunden und knallte die Schublade zu. »Es ist nur eine einschüssige Pistole,

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