Der steinerne Engel
Stoßstange und zog sich am Kotflügel des Tiefladers hoch, um besser sehen zu können.
Als Malcolm sich erhob und mit ausgestreckten Händen um Ruhe bat, richteten sich alle Blicke auf ihn. »Dieser Mann, ein gewisser Riker ...«, verkündete er mit bebendem Zorn in der
Stimme, während er auf den Mann im grauen Anzug deutete, »... dieser sinnlos betrunkene Lump und Untermensch wurde auf dem Friedhof gefunden, wie er, nackt von der Taille bis zu den Knöcheln, über der Leiche des Idioten stand.«
Die Menge fluchte und stöhnte.
»Schaut ihn euch an, diesen Dreckskerl, so betrunken, dass er sich kaum auf den Füßen halten kann. Sein Opfer hatte keinen leichten Tod. Der Junge wurde vergewaltigt und erschlagen. Der arme Kerl, hilflos wie ein Kind ...«
»Du kennst dich da ja aus!«, rief Riker, und seiner Stimme war nicht die Spur von Trunkenheit anzumerken. »Dein Bruder hat Ira Wooley vergewaltigt, als der erst sechs war. Vielleicht liegt es in der Familie ...«
»Bringt ihn zum Schweigen.«
Eine Faust traf Rikers Gesicht. Er fiel auf die Knie. Von den aufgeplatzten Lippen lief ihm Blut in den Mund. Malcolm war sichtlich wütend über diese Abweichung vom Drehbuch. Auch dass Riker offenbar stocknüchtern war, hatte sein Script nicht vorgesehen.
Drohend reckte Malcolm die Faust zum Himmel. »Ich habe drei Zeugen dafür, dass ...«
»Darum musste Cass Shelley sterben!« Riker hatte sich wieder aufgerappelt. »Sie hatte die Laborberichte gelesen. Babe hat auch Jimmy Simms vergewaltigt, der deshalb mit zwölf nach New York abgehauen ist.«
»Stopft ihm sein Lügenmaul!«
Doch diesmal hob sich keine Hand. Nur Jimmys Vater trat vor, um Riker besser verstehen zu können. Malcolm wechselte einen Blick mit seinem Bruder Ray, der ihm zunickte und auf Riker losging. Der fuhr unbeirrt fort: »Sie konnte sich nicht erklären, warum ein Sechsjähriger eine Hepatitis bekommen hatte, mit der sich eigentlich nur Junkies anstecken, und hat ihn daraufhin auf Syphilis testen lassen. Denkt mal an Babes Syphilisparty. Er ...«
Ray Laurie ging Riker mit beiden Händen an die Gurgel.
Dan Simms, der um einiges größer war als Ray, hatte keine Mühe, dessen Wurstfinger von Rikers Hals zu lösen. Schweigend sah er ihn an und hob eine Faust. Ray wich zurück, und Simms wandte sich an Malcolm. »Das hast du mir damals anders erzählt, Mal. Lass den Mann reden.«
Malcolm trat an den Rand des Tiefladers und fragte mitleidig: »Wie kannst du auf einen Kerl hören, Dan, der auf frischer Tat ertappt wurde, wie er den armen Idioten missbraucht hat?«
»Aber du hast gesagt, dass er betrunken ist, Mal, und diesen Eindruck habe ich nun ganz und gar nicht.« Dan Simms wandte sich an Riker. »Reden Sie weiter, Mister.«
»Als Cass alle Testergebnisse vorlagen«, sagte Riker, »hat sie den Krankheitszustand bei den drei Patienten verglichen. Babe hatte eine Syphilis im Tertiärstadium, bei Jimmy war sie im Sekundärstadium und bei Ira in der frühesten Phase. Das hat sie euch klarzumachen versucht, als sie in eure Sitzung geplatzt ist. Aber Malcolm hat sie ohne Umstände vor die Tür und die ganze Geschichte unter den Teppich gekehrt.«
»Lügen«, sagte Malcolm. »Nichts als Lügen.«
»Und was hast du Iras Vater vorgelogen?«, rief Riker. »Ich weiß, dass er den ersten Stein geworfen hat. Den hast du ihm in die Hand gedrückt.«
Ray Laurie hatte sich hinter Jimmy Simms' Vater aufgebaut. »Du weißt doch, dass das nicht stimmt, Dan«, sagte er. »Malcolm war schon weg, als es anfing, Steine zu regnen.«
Simms sah zu Malcolm hinauf. »Aber woher weiß er, dass Iras Vater den ersten Stein ...«
Der Gewehrschaft traf sein Ziel schnell und genau. Simms sackte zusammen. Rays zweiter Schlag zwang Riker wieder in die Knie.
Malcolm ging vor dem Sarg auf und ab. »Der Kerl lügt wie gedruckt. Fest steht, dass Riker den armen Idioten missbraucht und umgebracht hat. Vielleicht fürchtet er, wir würden ihn nicht an den Sheriff ausliefern, sondern ihm in unserer gerechten Empörung die Augen auskratzen und die Haut abziehen und ihn zu Tode steinigen. Und keinem und keiner unter uns könnte ich das verdenken.« Er deutete auf die Fackeln. »Zündet sie an und schaut euch das Monster genau an.«
Mühsam rappelte sich Riker noch einmal auf. Malcolm winkte den Musikern. »Spielt!«
Sie sahen sich an. »Spielt, so laut ihr könnt!«, schrie Malcolm, und Ray richtete die Flinte auf den Bandleader. Clark sprang von dem Kotflügel des Tiefladers
Weitere Kostenlose Bücher