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Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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zunächst in einem vorläufigen Versteck untergebracht. Später hatten Sie Zeit genug, Cass Shelley an einer Stelle zu begraben, die er bereits inspiziert hatte. Wahrscheinlich liegt sie unter schweren Steinen, damit die Erde sie nicht wieder hergibt. An dem Tag, als Sie den Alligator gefüttert haben, standen Sie auf einer Art steinerner Mole oder Plattform.«
    »Sie haben eine blühende Phantasie, Charles.«
    »Ich denke darüber nach, ob der Sheriff mit meinen Überlegungen etwas anfangen könnte. Es wäre ihm bestimmt jede Mühe wert zu erfahren, wo Cass Shelley begraben liegt.«
    »Wenn Sie diese Geschichte verbreiten, machen Sie Mallory mehr Kummer, als Sie ahnen.«
    Ein Treffer, Augusta. Sie kannte seine Achillesferse.
    »Cass Shelleys Grab liegt an der Spitze des Finger Bayou - hab ich Recht?«
    Ihr triumphierendes Lächeln zeigte ihm, dass er sie nicht einschüchtern konnte. Lachte sie ihn vielleicht sogar aus? Niedergeschlagen sagte er sich, dass Riker wohl Recht hatte: Er war verändert, war blind geworden. Was brachte ihn dazu, Augusta zu drohen, die ihm nie etwas getan hatte? Die ihm ganz im Gegenteil immer geholfen, die ihm das Geheimnis der Panzerechse im Finger Bayou anvertraut hatte?
    Ihr Lächeln war sanfter geworden. Sie hatte ihm wohl schon verziehen.
    »Ich weiß, dass Sie Mallory wissentlich nie wehtun würden. Und deshalb weiß ich auch, dass Sie diese wilden Spekulationen für sich behalten und nie nach dem Grund fragen werden. Zuerst dürften Sie daran schwer zu tragen haben, aber ein Stück Geheimnis braucht jeder Mensch.« Sie legte den Kopf schief und sah ihn nachdenklich an. »Und Sie vermutlich mehr als die meisten.«
     
    Es war dunkel, als Mallory das Haus verließ. Die Vögel hatten sich noch nicht zur Nachtruhe begeben und tschilpten lauter als gewöhnlich. Und den Gaul hätte Augusta längst in seine Box bringen müssen. Stattdessen lief er unruhig auf der Koppel hin und her und schlug mit den Hinterläufen aus.
    Der lange schwarze Mantel schlug an ihre Stiefelschäfte, als sie zügig die Eichenallee hinunterging. Was machte den Tieren Angst? Aufmerksam beobachtete sie ihre Umgebung, suchte nach ungewöhnlichen Erscheinungen. Mit ihrem Minihandy rief sie noch einmal im Büro des Sheriffs an, aber wieder meldete sich niemand. Sie war auf dem Weg, der zum Friedhof führte, als sie die Frau hörte.
    Mit gezogenem Revolver ging sie, eine Gräberreihe nach der anderen ablaufend, dem Schluchzen nach.
    Am südlichen Rand des Friedhofs fand sie Darlene Wooley, die Iras blutigen Kopf umfasst hielt. Ira wehrte sich nicht. Er war jenseits seiner Angst vor menschlicher Berührung, aber er war noch nicht tot.
    »Du bist also der Zeuge«, sagte Ira, als Mallory sich über ihn beugte, um ihn zu untersuchen.
    Darlene sah auf. »Er ist nicht zum Abendessen gekommen. Ich wollte ihn holen, und da ...«
    »Du bist also der Zeuge«, wiederholte Ira.
    Mallory zog ihren Palmtop-Computer aus der tiefen Tasche ihres Mantels und wählte mit dem Minihandy die Notrufnummer. Als die Zentrale sich meldete, drückte sie Darlene das Telefon in die Hand. »Sagen Sie nur, dass Sie einen Krankenwagen brauchen.«
    Darlene nickte, und Mallory beschäftigte sich mit Iras Verletzungen. Er war offenbar brutal zusammengeschlagen worden, so dass mit inneren Verletzungen zu rechnen war. Sie wischte ihm das Blut vom Mund. Die Zähne waren unbeschädigt, aber er hatte eine böse Kopfwunde und einen gebrochenen Arm. »Das kommt schon wieder in Ordnung, Ira.« Sie brach einen dürren Zweig von einem alten Baum, zog ein Kabel aus ihrem Ladegerät und band ihm den Arm an den Körper, um weiteren Schaden zu verhüten.
    Ira sah sie aus weit geöffneten Augen vertrauensvoll an. Sie lächelte ihrem Spielgefährten zu und summte die Melodie, die ihr aus ihrer kurzen Kindheit in Erinnerung geblieben war. Während sie einen Streifen von seinem zerfetzten roten Hemd abriss und seine Mutter ins Telefon schluchzte, fing er an zu singen.
    Nach ein paar Minuten legte Darlene die Hand über das Handy. »Alle Krankenwagen und die Fahrzeuge der Feuerwehr sind im Einsatz. Eins der chemischen Werke ist in die Luft geflogen und hat ein Zuckerrohrfeld in Brand gesetzt. Die Zentrale gibt mich an den Sheriff weiter, der ist mit seinem Wagen unterwegs.«
    »Nennen Sie nicht meinen Namen.« Mallory wickelte einen Fetzen von Iras Hemd um die blutende Kopfwunde. Sie roch keinen Rauch. Das Feuer war offenbar meilenweit entfernt.
    Darlene unterbrach die

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