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Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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herunter und griff nach seiner Trompete. Dixielandklänge schmetterten über den Festplatz.
    »Lauter!«, brüllte Malcolm.
    Die Band spielte, was das Zeug hielt. Riker schrie auf vor Schmerz. Malcolm Laurie sprang von der Ladefläche und ging über den Festplatz in Richtung Fluss davon.
     
    Erst gingen in Owltown alle Lichter aus, dann verloschen die Scheinwerfer, die um den Tieflader aufgebaut waren. Nur daran erkannte Charles, dass Mallory sich noch nicht ins Getümmel gestürzt hatte. Er hielt Augustas Taille fest umfasst. Ihr Körper war zwar schlank, aber kräftig und muskulös. Das lange Haar wehte über ihn hinweg. Links von ihnen wälzte sich der breite Mississippi in seinem Bett. In einer langen Schräge reichte die Deichwand hinunter bis zu dem nachtschwarzen Wasser. Charles spürte jeden Hufschlag des Schimmels. Der Upland Bayou und die Stadt lagen hinter ihnen. Von hier aus hatten die Fackeln von Owltown nur noch Streichholzgröße.
    »Jetzt geht's bergab«, rief Augusta.
    Mit heftig pumpendem Herzen galoppierte der Schimmel den Hang hinunter, stolperte und stürzte. Charles drehte sich der Magen um, ein Adrenalinstoß schoss eiskalt durch seine Adern. Die Erde kam auf ihn zu, während das Pferd herumrollte und ihn unter sich zu begraben drohte. Er hielt Augusta fest, hob ein Knie und stellte einen Fuß auf den Pferderücken, um sich abzustoßen. Dann flogen sie zusammen in hohem Bogen durch die Luft, während das Pferd angstvoll wiehernd liegen blieb.
    Charles landete mit dem Rücken auf der Erde, Augusta fiel auf ihn, rappelte sich aber sofort wieder auf. Auch das Pferd bemühte sich hochzukommen, fiel aber, Schmerzenslaute ausstoßend, gleich wieder hin. Im gleißenden Mondlicht sah Charles den zertrümmerten weißen Knochen, der durch die blutig zerfetzte Haut des Vorderlaufs schimmerte.
    Charles machte einen Schritt auf Augusta zu, um sie zu stützen. Sie wehrte ihn mit finsterer Miene ab und zog den Derringer aus der Tasche. »Machen Sie, dass Sie weiterkommen. Das hier muss ich allein erledigen.«
    Während er auf den Festplatz zuging, kniete Augusta sich neben den Schimmel, legte ihm eine Hand auf das Maul und den Derringer hinters Ohr. Im Laufen hörte Charles den Schuss. Das qualvolle Wiehern verstummte. Er zögerte noch einen Augenblick, dann rannte er auf die Fackeln von Owltown zu.
    Am Rand der Menge begegnete ihm Malcolm, der sich vom Festplatz entfernte, während die Band weiterspielte.
    Charles drängte sich durch den Kreis der Betrunkenen, was ihm dank seiner Größe mühelos gelang. In der Mitte lag Riker. Der Boden um ihn herum war mit Steinen bedeckt. Charles deckte ihn mit seinem Körper und fing einen Stein mit seinem Rücken ab. Ein zweiter traf sein Bein. Geistesgegenwärtig zog er den Kopf ein und dachte bei sich, dass man von Schildkröten viel lernen konnte.
    Die Menge teilte sich kurz. Charles erkannte im Licht einer vorüberziehenden Fackel, dass Augusta am Hinterrad des Tiefladers stand und einen Lappen in den Benzintank schob, der sich schnell vollsaugte. Sie warf dem Trompeter einen Blick zu, riss ein Streichholz an und zeigte es ihm. Dem Musiker fiel der Unterkiefer herunter. Er gab dem Saxofonisten, der neben ihm stand, einen Rippenstoß, und die Band trat geschlossen den Rückzug an. Augusta hielt ihr Streichholz an das Tuch und zündete sich in aller Ruhe eine Zigarre an, während die Flamme an dem Stoff entlang in den Tank züngelte.
    Ray Laurie beobachtete von der Ladefläche aus die Menge, während Augusta gelassen in der Dunkelheit verschwand und die Dixielandband schnell in Richtung Parkplatz flüchtete.
    Die Detonation war wie ein Erdbeben. Charles spürte die Stoßwellen, die Metallteile und Flammen in alle Richtungen schleuderten und im Kern der Explosion vorübergehende Leere hinterließen. Laut röhrend wälzten sich die Flammen in das Vakuum zurück und stiegen als greller orangefarbener Pilz gen Himmel. Ray Laurie wurde mit brennendem Haar und brennender Kleidung von der Ladefläche geschleudert. Er rappelte sich auf und schrie so qualvoll, wie das Pferd geschrien hatte. Als er in die Menge hineinlief und sich zu ihren Füßen auf dem Boden wälzte, ergriffen Männer wie Frauen vor der menschlichen Fackel entsetzt die Flucht. Es war totenstill geworden. Ein widerlicher Geruch hing in der Luft, und Charles musste erschrocken feststellen, dass verbranntes Menschenfleisch Hungergefühle auslösen kann.
    So also sah die Hölle aus.
    Während die Menge noch wie

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