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Der Steppenwolf

Der Steppenwolf

Titel: Der Steppenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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darauf hatte freuen hören, war mir immer komisch erschienen. Heute nun war auch für mich der Ball ein Ereignis, auf das ich mich mit Spannung und nicht ohne Ängstlichkeit freute. Da ich keine Dame hinzuführen hatte, beschloß ich, erst spät hinzugehen, dies hatte mir auch Hermine empfohlen.
    Den «Stahlhelm», meine einstige Zuflucht, wo die enttäuschten Männer ihre Abende versaßen, ihren Wein sogen und Junggesellen spielten, hatte ich in letzter Zeit selten mehr besucht, er paßte nicht mehr zum Stil meines jetzigen Lebens. Aber heut abend zog es mich ganz von selbst wieder dorthin; in jener bangfrohen Stimmung von Schicksal und Abschied, die mich zur Zeit beherrschte, gewannen alle Stationen und Gedenkorte meines Lebens noch einmal jenen schmerzlich schönen Glanz des Vergangenen, und so auch die kleine rauchige Kneipe, wo ich vor kurzem noch zu den Stammgästen gehört, wo vor kurzem noch das primitive Betäubungsmittel einer Flasche Landwein mir genügt hatte, um wieder für eine Nacht in mein einsames Bett gehen, um wieder für einen Tag das Leben ertragen zu können. Andre Mittel, heftigere Reize hatte 138
    ich seither gekostet, süßere Gifte geschlürft. Lächelnd betrat ich die alte Bude, vom Gruß der Wirtin und vom Nicken der schweigsamen Stammgäste empfangen. Ein gebratenes Hähnlein wurde mir empfohlen und gebracht, ins bäurische dicke Glas floß hell der junge Elsässer Wein, freundlich sahen die sauberen weißen Holztische, das alte gelbe Getäfel mich an. Und während ich aß und trank, steigerte sich in mir dies Gefühl des Abwelkens und Abschiedfeierns, dies süße und schmerzlichinnige Gefühl einer nie ganz gelösten, nun aber zur Lösung reifwerdenden Verwachsenheit mit all den Schauplätzen und Dingen meines früheren Lebens. Der «moderne» Mensch nennt dies Sentimentalität; er liebt die Dinge nicht mehr, nicht einmal sein Heiligstes, sein Automobil, das er baldmöglichst gegen eine bessere Marke hofft tauschen zu können. Dieser moderne Mensch ist schneidig, tüchtig, gesund, kühl und straff, ein vortrefflicher Typ, er wird sich im nächsten Krieg fabelhaft bewähren. Mir lag nichts daran, ich war kein moderner Mensch noch auch ein altmodischer, ich war aus der Zeit herausgefallen und trieb dahin, dem Tode nah, zum Tod gewillt. Ich hatte nichts gegen Sentimentalitäten, ich war froh und dankbar, in meinem verbrannten Herzen nur noch irgend etwas wie Gefühle zu spüren. So gab ich mich den Erinnerungen der alten Kneipe, meiner Anhänglichkeit an die alten klobigen Stühle, gab mich dem Duft von Rauch und Wein, dem Schimmer von Gewohnheit, von Wärme, von Heimatähnlichkeit hin, den das alles für mich hatte. Abschiednehmen ist schön, es stimmt sanft. Lieb war mir mein harter Sitz, mein bäurisches Glas, lieb der kühle fruchtige Geschmack des Elsässers, lieb meine Vertrautheit mit allem und jedem in diesem Raum, lieb die Gesichter der träumerisch hockenden Trinker, der Enttäuschten, deren Bruder ich lang gewesen war. Bürgerliche Sentimentalitäten waren es, die ich hier empfand, leicht gewürzt mit einem Duft von altmodischer Wirtshausromantik aus der Knabenzeit her, wo Wirtshaus, Wein und Zigarre noch verbotene, fremde, herrliche Dinge waren. Aber kein Steppenwolf erhob sich, um die Zähne zu fletschen und mir meine Sentimentalitäten zu Fetzen zu reißen. Friedlich saß ich da, angeglüht von der Vergangenheit, von der schwachen Strahlung eines inzwischen untergegangenen Gestirns.
    Es kam ein Straßenhändler mit gebratenen Kastanien, und ich kaufte ihm eine 139
    Handvoll ab. Es kam eine alte Frau mit Blumen, ich kaufte ein paar Nelken von ihr und schenkt e sie der Wirtin. Erst als ich zahlen wollte und vergebens nach der gewohnten Rocktasche griff, merkte ich wieder, daß ich im Frack war.
    Maskenball! Hermine!
    Aber es war noch reichlich früh, ich konnte mich nicht entschließen, schon jetzt in die Globussäle zu gehen. Auch spürte ich, wie es mir bei allen diesen Vergnügungen in letzter Zeit ergangen war, mancherlei Widerstände und Hemmungen, eine Abneigung gegen das Eintreten in große, überfüllte, geräuschvolle Räume, eine schülerhafte Schüchternheit vor der fremden Atmosphäre, vor der Welt der Lebemänner, vor dem Tanzen.
    Im Schlendern kam ich an einem Kino vorüber, sah Lichtbündel und farbige Riesenplakate aufglänzen, ging ein paar Schritte weiter, kehrte wieder um und ging hinein. Da konnte ich bis gegen elf Uhr hübsch ruhig im Dunkeln sitzen.
    Vom

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