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Der sterbende König (German Edition)

Der sterbende König (German Edition)

Titel: Der sterbende König (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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füllen?»
    «Gold», sagte sie, «oder Silber. Aber füll sie.»
    «Ihr wollt noch mehr?», fragte ich wütend.
    «Ihr wollt alles, Kjartan von Cumbrien», sagte sie, und sie hatte einen winzigen Moment innegehalten, bevor sie den Namen aussprach, als hätte sie den Verdacht, er sei falsch, «und deshalb, ja. Ich will mehr.»
    Ich hätte mich beinahe geweigert, aber ich gebe zu, dass mich ihre Macht schreckte, also nahm ich Silber aus meinem Beutel, fünfzehn Münzen, und legte sie in die Holzschale. Bei dem Geräusch der klimpernden Münzen verzog sie den Mund zu einer Art Lächeln. «Was wollt Ihr wissen?», fragte sie.
    «Alles.»
    «Es wird eine Ernte geben», sagte sie herablassend, «und dann wird der Winter kommen, und nach dem Winter kommt die Zeit der Aussaat, und dann wieder eine Ernte und dann wieder ein Winter, bis zum Ende der Zeiten, und Menschen werden geboren, und Menschen werden sterben, und das ist alles.»
    «Dann erzählt mir, was ich wissen will», sagte ich.
    Sie zögerte, dann nickte sie beinahe unmerklich. «Legt Eure Hand auf den Stein», sagte sie, doch als ich meine linke Hand flach auf den kalten Felstisch legte, schüttelte sie den Kopf. «Eure Schwerthand», sagte sie, und gehorsam legte ich meine rechte Hand auf den Stein. «Dreht sie um», knurrte sie, und ich drehte die Hand mit der Handfläche nach oben. Sie nahm das Messer und beobachtete dabei meinen Blick. Sie lächelte beinahe, forderte mich dazu heraus, die Hand zurückzuziehen, und als ich sie nicht bewegte, zog sie mir unvermittelt das Messer über die Handfläche. Sie ritzte sie einmal vom Daumenballen bis zum Ansatz meines kleinen Fingers ein, und dann noch einmal, kreuzweise. Ich sah das frische Blut aus den Schnitten quellen und dachte an die kreuzförmige Narbe auf Sigurds Hand. «Jetzt», sagte sie und legte das Messer weg, «schlagt fest auf den Stein.» Sie deutete mit dem Zeigefinger auf die glatte Mitte des Steins. «Schlagt hierher.»
    Ich schlug fest auf den Stein und hinterließ ein Muster aus Blutspritzern, ausgehend von einem grob verschmierten Handabdruck, der von einem roten Kreuz entstellt wurde.
    «Und jetzt schweigt», sagte Ælfadell und schüttelte ihren Umhang ab.
    Sie war nackt. Mager, bleich, hässlich, alt, eingeschrumpft und nackt. Ihre Brüste waren Fleischlappen, ihre Haut faltig und fleckig, und ihre Arme dürr. Sie hob die Hand und löste ihr Haar, das im Nacken zusammengedreht war, sodass die grauschwarzen Strähnen nach der Art junger, unverheirateter Mädchen um ihre Schultern fielen. Sie war das Zerrbild einer Frau, sie war die galdricge , und es schauderte mich bei ihrem Anblick. Sie schien meinen Blick nicht wahrzunehmen, sondern starrte auf das Blut, das im Licht der Flammen schimmerte. Sie berührte das Blut mit einem Finger, der so gekrümmt war wie eine Klaue, und schmierte es über den glatten Stein. «Wer seid Ihr?», fragte sie, und es kam mir so vor, als läge echte Neugierde in ihrer Stimme.
    «Ihr wisst, wer ich bin», sagte ich.
    «Kjartan von Cumbrien», sagte sie. Ein merkwürdiges Geräusch entwich ihrer Kehle, es mochte wohl ein Lachen gewesen sein, dann bewegte sie die blutbesudelte Klaue zu dem Becher. «Trinkt das, Kjartan von Cumbrien», sagte sie und sprach den Namen mit säuerlichem Spott aus, «trinkt es ganz aus!»
    Ich hob den Becher und trank. Es schmeckte faulig. Bitter und ranzig. Es schnürte einem die Kehle zu, und ich trank alles aus.
    Und Ælfadell lachte.

    Ich erinnere mich nur an wenig aus dieser Nacht, und das meiste von diesem Wenigen würde ich am liebsten vergessen.
    Ich erwachte nackt, frierend und gefesselt. Um meine Hand- und Fußgelenke waren Lederschlaufen gebunden, die miteinander verknotet waren, sodass meine Hände zu meinen Fußknöcheln hinuntergezogen wurden. Schwaches graues Licht sickerte durch den Felsspalt und den Durchgang in die große Höhle. Der Boden war weiß von Fledermauskot, und mein Körper war mit meinem eigenen Erbrochenen beschmiert. Ælfadell, gekrümmt und dunkel in ihrem schwarzen Umhang, hatte sich über meine Rüstung gebeugt, meine beiden Schwerter, meinen Helm, meinen Hammer und meine Kleidung. «Du bist wach, Uhtred von Bebbanburg», sagte sie. Sie scharrte zwischen meinen Besitzungen herum. «Und du glaubst», fuhr sie fort, «dass ich leicht zu töten wäre.»
    «Ich glaube, dass du leicht zu töten wärest, Weib», sagte ich. Meine Stimme war ein trockenes Krächzen. Ich zerrte an den Lederriemen, aber ich schnitt

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