Der sterbende Stern
weiß, was für mein Volk getan werden muß.«
»Wirklich?« fragte Stark ruhig. »Woher deine Sicherheit? Du kennst nur den Traum. Ich bin Wirklichkeit. Woher weißt du, daß ich wirklich der Verheißene bin?«
»Du kommst von den Sternen«, sagte Hargoth.
»Ja, aber so auch der Fremde, der in die Zitadelle geschafft wurde, und er ist derjenige, der den Schiffen befiehlt, nicht ich.«
Hargoth starrte einen Augenblick in die rote Glut.
»Er hat diese Macht?«
»Die hat er«, sagte Stark. »Woher weißt du, daß er nicht der Verheißene ist?«
Gerrith senkte ihre Hände und trat vom Feuer zurück. Die Flammen nahmen ihre gewohnte Farbe an. Sie sagte ruhig: »Du stehst am Kreuzweg, Hargoth. Du bestimmst das Schicksal deines Volkes.«
Stark legte die Hand an den Schwertgriff. Er wartete auf Hargoths Antwort. Der König blickte unsicher von Gerrith zu ihm, mit kalten, fanatischen Augen. Die anderen Priester standen abwartend in der Nähe. Hargoth drehte sich plötzlich um und trat zu ihnen. Sie gingen beiseite. Ihre Rücken bildeten eine Wand, die ihr Tun verbarg. Doch den Bewegungen ihrer Schultern war anzusehen, daß sie ein Ritual vollzogen.
»Da ihnen einen lebendes Opfer fehlt«, sagte Gerrith, »befragen sie ein anderes Orakel.«
»Es fällt hoffentlich günstig aus«, sagte Halk und zog das Schwert.
Die Priester stießen einen langen Seufzer aus. Sie verneigten sich vor einer unsichtbaren Erscheinung. Dann kehrten sie ans Feuer zurück. »Dreimal haben wir die geheiligten Fingerknochen des Frühlingskindes geworfen«, sagte Hargoth. »Dreimal wiesen sie nach Norden.« Seine Augen blickten verzweifelt und zornig. »Nun gut, wir wenden uns also gegen Thyra. Und wenn wir an Thyra vorbeikommen, weißt du, was dort wartet, um dich von der Zitadelle fernzuhalten?«
»Ja«, sagte Stark. »Die Nordhunde.«
Gerriths Gesicht verdunkelte sich. Sie bebte.
»Was ist?« fragte Stark.
»Ich weiß nicht. Als du den Namen sagtest, war es, als höre ihn jemand.«
Weit entfernt im öden Norden war eine große, weiße Gestalt im Schnee stehengeblieben. Sie witterte mit ihrer riesigen, zahnbewehrten Schnauze in Richtung Süden.
16.
Wie Hargoth gesagt hatte, verengte sich das Land, wurde gebirgiger. Seine Leute hatten die Gruppe auf sechsunddreißig Menschen anschwellen lassen, zwei Zehnerschaften Krieger mit ihrem Hauptmann, mit Schlingen und Speeren bewaffnet, der Kornkönig mit acht Priestern, die Magie als Waffe benutzend, und die ursprünglichen sechs aus Irnan, Stark mit eingerechnet. Er hätte auf die neuen Verbündeten verzichten können. Die Gruppe war zu groß, um sich leicht ungesehen weiterbewegen zu können, und zu klein, um wirklich Widerstand leisten zu können.
Die grauen Männer waren fast unermüdlich, und zunächst fiel es Stark und den Seinen schwer, mit ihnen Schritt zu halten.
»Wie weit ist es bis Thyra?« fragte Stark.
»Drei lange Märsche.« Hargoth war nicht selbst in Thyra gewesen, jedoch Kintoth, der Hauptmann der Krieger. »Wir gehen manchmal dorthin, um Werkzeuge und Waffen einzutauchen«, sagte er. »Die Leute in Thyra sind große Schmiede. Wir gehen immer bewaffnet. Wir geben ihnen gedörrtes Fleisch, Felle und Tuch.«
»Manchmal tauschen wir auch Frauen aus«, sagte Hargoth. »Das ist eine Notwendigkeit, die wir beide nicht gern haben. Wir brauchen jedoch frisches Blut, um zu überleben. In unserer Nähe war einst eine dritte Stadt, die sich ganz abkapselte, und schließlich war sie ausgestorben.«
Er trabte eine Weile stumm weiter. Dann fügte er hinzu: »Gelegentlich bringen uns die Stabträger Frauen aus dem Süden, aber hier leben sie nicht lange. Gewöhnlich opfern wir sie der alten Sonne.« Und er sah Gerrith an.
»Was ist mit der Zitadelle?« fragte Stark, dem der Blick nicht entgangen war.
»Wir haben sie nie gesehen. Niemand hat das je, nicht einmal die Harsenyi. Die Nordhunde halten Neugierige ab. Und dann ist dort der Nebel.«
»Nebel?«
»Dicker Nebel, der aus dem Talkessel aufsteigt und sich nie hebt. Ein starker Zauber. Die Zitadelle bleibt immer verborgen.«
»Du kennst aber den Weg, der zu ihr führt?«
»Ich weiß, was die Harsenyi erzählt haben. Einige ihrer Leute dienen den Stabträgern. Wir mögen sie nicht, weil sie versuchen, unsere jungen Leute zu überreden, sich den Wanderern anzuschließen.«
Hargoth sah sich die Fremden an. Die alte Sonne stand jetzt über dem Horizont, und sein Blick glitt von Gesicht zu Gesicht, um im rötlichen
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