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Der Stern von Yucatan

Der Stern von Yucatan

Titel: Der Stern von Yucatan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debbie Macomber
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sie längst verlassen. Ein schwacher Trost war, dass sie viel zu viel Angst hatte, um die elende Hitze zu bemerken.
    Als sie die Bushaltestelle erreichten, war sie dankbar, die Fahrt überlebt zu haben. Ihre Schultern schmerzten, weil sie mehrfach damit gegen die Seitenwände des Wagens geprallt war, und ihre Kiefer schmerzten, weil sie sie heftig zusammengepresst hatte. Sie zahlte den Fahrpreis, ohne zu handeln, allerdings auch, ohne ein Trinkgeld zu geben, nahm ihren Koffer und zog ihn in den Busbahnhof.
    Eines war mal sicher: Ihre Anwesenheit erregte Aufmerksamkeit. Alle Augen in dem heruntergekommenen Gebäude waren auf sie gerichtet. Sie straffte die Schultern in einer Haltung, die Grazie und Stil verraten sollte, und ging auf das Schalterfenster zu, als mache sie das jeden Tag ihres Lebens.
    “Ich hätte gern einen Fahrschein nach El Mirador”, sagte sie auf Englisch und vergaß, dass sie Spanisch sprechen musste.
    Der Mann starrte sie verständnislos an.
    Lorraine holte ihren Sprachführer heraus und blätterte die Seiten durch. Sie entdeckte, dass es nicht ausreichte, den Namen der Stadt zu nennen, um das gewünschte Resultat zu erzielen. Sie versuchte noch einige Male, um einen Fahrschein zu bitten, doch jedes Mal sah der Mann sie nur verständnislos an und zuckte die Achseln.
    “Vielleicht kann ich helfen.”
    Lorraine drehte sich um und sah einen lächelnden, glattrasierten Mann neben sich stehen.
    “Jason Applebee”, stellte er sich vor.
    “Lorraine Dancy.” Sie gab ihm die Hand und bemerkte, dass seine bandagiert war. “Sie sind Amerikaner?”
    Er nickte. “Ich denke, das ist offensichtlich, oder? Ich falle hier auf wie eine Bohne in einer Schüssel Reis.”
    “Ich darf unterstellen, dass Sie Spanisch sprechen?”
    “Fließend.” Zum Beweis redete er mit dem Mann am Schalter. Der Mann grinste, nickte und erwiderte etwas. Sein Blick wanderte zu Lorraine, und ihr entging nicht, dass der Mann erleichtert wirkte.
    Lorraine verstand nicht, was die beiden miteinander sprachen. Im Augenblick war sie nicht in der Lage, die simpelsten Verben zu übersetzen. Jason wandte sich ihr zu. “Also, was wollten Sie fragen?”
    “Ich brauche ein Ticket nach El Mirador.”
    “Sie machen Witze”, erwiderte er, und sein Gesicht hellte sich auf. “Da will ich auch hin.”
    “Wirklich? Ich dachte, es wäre nur eine sehr kleine Stadt.”
    “Genau genommen will ich in einen Ort ganz in der Nähe. Ich wollte die Nacht in El Mirador verbringen.”
    “Sie meinen, dort gibt es ein Hotel?” Falls das nichts wurde mit ihrem Vater, war es beruhigend zu wissen, dass sie auch in einem Hotel übernachten konnte.
    “Ich denke, so könnte man es nennen”, sagte Jason, und beide lachten.
    Lorraine bezahlte ihren Fahrschein, und Jason kaufte seinen. Sobald sie fertig waren, setzten sie sich nach draußen in den Schatten und warteten auf den Bus, der nach Jasons Auskunft in etwa dreißig Minuten kommen musste.
    “Bleiben Sie auch im Hotel?”, fragte ihr neuer Freund und richtete den Rucksack zu seinen Füßen.
    “Ich weiß noch nicht”, erwiderte sie leise. Es war ein langer Tag gewesen. In Atlanta hatte sie umsteigen müssen, und die Maschine hatte zwei Stunden Verspätung gehabt. “Wie lange werden wir brauchen bis El Mirador?”
    “Ein paar Stunden, vielleicht mehr. Immer vorausgesetzt, der Bus bricht nicht unterwegs zusammen.”
    “Na toll.” Sie seufzte laut und fragte sich, ob sonst noch etwas schiefgehen konnte.
    “He, so schlimm ist das nicht. Sie hätten auf der Ausgrabung sein sollen, auf der ich letzte Woche war.” Er erklärte ihr, dass er an einem kleinen College in Missouri in Teilzeit Archäologie unterrichtete. Den Namen kannte sie nicht. Er war hier, um Forschungsarbeiten für seine Doktorarbeit zu betreiben. Inzwischen war er einen Monat in Mexiko, obwohl das nicht sein erster Aufenthalt hier war. Lorraine schätzte ihn auf Mitte dreißig. Er hatte kurze dunkle Haare, trug ständig eine Sonnenbrille und hatte das kurzärmelige Baumwollhemd ordentlich in die Khakihose gesteckt. Dass er in seiner Kleidung so frisch wirkte, ließ sie umso mehr an ihrem durchgeschwitzten Aufzug verzweifeln.
    “Sie haben also auf der Ausgrabung gearbeitet?”
    “Ja, und es war fantastisch. Abgesehen davon.” Er hob die bandagierte Hand.
    Jason unterhielt sie für die nächste Stunde – der Bus hatte natürlich Verspätung – mit Geschichten seiner Abenteuer und einer grässlichen Beschreibung des Unfalls, bei

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