Der Stern von Yucatan
Freundschaft zwischen ihnen entwickelt. Jedenfalls glaubte Lorraine das. Sie hatten über vieles geredet, und er hatte ihr Einblicke in die Zeit seines Lebens gewährt, ehe er mit der “Scotch on Water” herumgeschippert war. Er hatte mit einer Gruppe von Leuten gearbeitet, die sich “Deliverance Company” nannten, und offenbar verband ihn mit diesen Männern immer noch eine tiefe Freundschaft.
Auch Lorraine hatte viel geredet – über ihre Kindheit, das Aufwachsen ohne Vater und über ihre Mutter. Doch das Leben mit ihrer Mutter zu beschreiben stimmte sie traurig, und sie wechselte rasch das Thema und kam auf ihre Lieblingsfilme zu sprechen.
Doch es gab auch andere Geschichten. Heute Nachmittag erst hatte sie ihn nach seinen Narben gefragt. Er erklärte, sie in den Jahren seiner Tätigkeit für die “Deliverance Company” erworben zu haben. Als er wissen wollte, ob sie auch Narben vorweisen könne, erzählte sie von einer Operationsnarbe, als ihr gebrochener Arm gerichtet werden musste. Sie hatte mit Freunden getobt und ihre Fähigkeiten im Treppengeländerrutschen unter Beweis gestellt. Unglücklicherweise war sie eine ganze Treppe hinuntergestürzt und auf ihrem Arm gelandet. Diese Erfahrung hatte sie eine gewisse Vorsicht gelehrt.
Lorraine betrachtete ihn beim Schlafen. Sobald seine Atmung tief und gleichmäßig wurde, zog sie sich zurück, um unter Deck zu gehen. Zu ihrer Verblüffung packte Jack jedoch ihr Handgelenk.
“Geh nicht”, flüsterte er mit geschlossenen Augen.
Die Nacht mit dem glänzenden Mondlicht auf dem Wasser war fast überirdisch schön. “Leg dich ein bisschen zu mir”, bat er und rückte zur Seite, um ihr Platz zu machen.
Sie streckte sich neben ihm aus, den Kopf an seiner gesunden Schulter. Jack schlang den rechten Arm um sie, und sie legte ihren Arm über seine Mitte.
Diese Nähe war wunderbar. Ohne es auszusprechen, hatten beide das Gefühl, die Zeit stehe still. Auch als Jack längst schlief, blieb Lorraine bei ihm. So glücklich und zufrieden hatte sie sich seit Tagen, ja Wochen nicht gefühlt. In den Armen dieses Fremden hatte sie Sicherheit und Geborgenheit gefunden.
Allerdings war er längst kein Fremder mehr.
Lorraine erwachte, und es war stockdunkel. Das Boot schaukelte ziellos im Golf auf der Strömung. Sterne glitzerten am dunklen Himmel, mehr als sie je gesehen hatte.
Sie lag schon eine Weile so da, genoss die Schönheit und den Frieden des Augenblicks, als sie merkte, dass auch Jack wach war. Er hatte den Arm noch um sie geschlungen. Ihr Kopf lag unter seinem Kinn, das er sacht an ihrem Haar rieb. Eine zärtliche Geste, die ein Liebhaber machen würde. Lorraine legte den Kopf zurück und sah Jack an. Ihre Blicke begegneten sich, und sie sehnte sich danach, dass er sie küsste.
Er wollte es. Sie las es in seinen Augen und erkannte es an der Art, wie er ihren Mund betrachtete. Sie schluckte trocken. Seine Hand, die locker an ihren Rippen lag, wanderte hinauf zu ihrer Brust. Vor Stunden hatte sie ihren BH aus- und eines von Jacks Shirts als Nachthemd übergezogen. Als Jack ihre nackte Brustspitze berührte, verharrte er und hielt kurz den Atem an. Lorraine ebenfalls.
Sie taten gar nicht erst so, als wäre es eine zufällige Berührung gewesen, keiner sah scheu weg. Jack verbarg seine körperlichen Reaktionen nicht. Er begehrte sie, und insgeheim freute sie das.
Er neigte den Kopf, wie um sie zu küssen, hielt jedoch inne, ehe sich ihre Lippen berührten.
“Erzähl mir von deinem Mann”, flüsterte er.
Lorraine war nicht sicher, wie sie darauf antworten sollte. Falls sie ihm jetzt die Wahrheit sagte, fürchtete sie, die Versuchung sei für beide zu groß, ihr zu widerstehen. Er würde sie küssen, und sie würde seine Umarmung wollen. Und ehe sie sich versah, würden sie miteinander schlafen, und das war ein Fehler, den sie sich nicht leisten konnte. Es gab zu vieles, was sie nicht von Jack wusste und vielleicht nicht wissen wollte. Er hatte eine raue, gefährliche Seite, wie die Helden ihrer Lieblingsfilme. Eine Beziehung mit Jack wäre niemals von Dauer. Sie würde nur als eine seiner zahllosen Eroberungen enden. Außerdem wollte sie Gary nicht betrügen …
“Was … möchtest du wissen?”
“Wie heißt er?”
Sie zögerte. “Gary. Gary Franklin.”
“Du hast deinen Mädchennamen behalten? Dancy?”
“Ja”, flüsterte sie.
“Nennt er dich Lorraine oder Raine?”
“Lorraine.” Sie mochte nicht über Gary sprechen. Ihr Verlobter schien
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