Der Stern von Yucatan
Welten entfernt zu sein. Hier draußen, mitten im Golf von Mexiko, wirkte ihr Leben in Louisville, inklusive Gary, irreal.
“Was macht er beruflich?”
“Er ist Geschäftsführer einer Firma für medizinisches Gerät.” Sie durchschaute Jack. Er versuchte sich ein Bild von Gary als realem Mann zu machen, um die Anziehung zu mildern, die sie aufeinander ausübten. Es funktionierte nicht. Hätte sie ihm ihre Lippen dargeboten, er hätte sie geküsst. Sie wollten es beide. Die Sehnsucht nach Zärtlichkeit war deutlich spürbar.
“Liebt er dich?”
Sie hatte Mühe, die Antwort auszusprechen, und sie klang unsicher. “Ja.”
“Genug?”
Es war Gary nicht leichtgefallen, zurückzustehen und sie allein nach ihrem Vater suchen zu lassen. Vielleicht wäre es besser gewesen, er hätte sie begleitet. Dann wäre all das hier nicht passiert.
“Liebt er dich genug, Lorraine?”
“Ja”, flüsterte sie bewegt.
Jack zog die Hand langsam von ihrer Brust und wusste, dass er sie nie wieder berühren würde.
Lorraine war das ebenfalls klar. Den Irrtum aufrechtzuerhalten, besiegelte ihre Zukunft.
Sie wollte nicht denselben Fehler begehen wie ihre Mutter. In gewisser Weise war alles ganz simpel. Wenn die Zeit kam, würde sie nach Louisville zurückkehren und die Hochzeit durchziehen. Sie würde Garys Kinder zur Welt bringen und ein gutes, ehrliches Leben führen. Genau das wollte sie. Genau das brauchte sie. Ihre Mutter wäre damit einverstanden gewesen.
Jack erwachte und fand Lorraine nicht mehr an seiner Seite. Auch gut, sagte er sich, ohne es selbst zu glauben.
Seit der Sache mit Marcie hatte er gefühlsmäßige Verstrickungen gemieden. Es gab einige Frauen, mit denen er lockere Beziehungen unterhielt. Allerdings erwartete keine von denen eine feste Bindung. Er war zufrieden mit diesem Lebensstil. Warum er es nötig fand, sich jetzt daran zu erinnern, wusste er selbst nicht. Bis vor Kurzem hatte er Lorraine nicht einmal gemocht. Er hatte sie spröde, widerspenstig und selbstgerecht gefunden. Darüber hinaus war sie verheiratet.
Lorraine hatte sich nicht verändert. Und sie war immer noch verheiratet. Der Unterschied lag in seiner Einstellung zu ihr. In den Tagen, seit sie El Mirador verlassen hatten, hatte er sie als fürsorgliche, großzügige, amüsante und mutige Frau kennen gelernt. Und sie war hübsch. Mit jedem Tag wurde die Liste positiver Eigenschaften länger. Und doch war sie dieselbe wie zuvor.
Allerdings fielen Veränderungen in ihrem Erscheinungsbild auf. Der schicke Leinenanzug war einer seiner Shorts und einem seiner Hemden gewichen, dessen Enden sie in der Taille knotete, was einen verlockenden Teil Haut sehen ließ. Und sie ging barfuß. Er hatte Mühe, nicht dauernd ihre tollen Beine anzustarren.
Das lange Haar, einst so ordentlich frisiert, war zum Pferdeschwanz zusammengebunden. In den letzten Tagen hatte ihre Haut eine tiefe Bräune angenommen. Selten hatte er eine so reizvolle Frau gesehen.
Während seiner Bewusstlosigkeit, aus der er in unregelmäßigen Abständen erwacht war, hatte sie offenbar ständig bei ihm gewacht. Sobald er die Augen aufgeschlagen hatte, war sie da gewesen. Ihr Lächeln war sanft, ihre Worte ermutigend, ihre Berührung zärtlich. Die Wahrheit war, in seinem ganzen Leben hatte niemand sich so um ihn gesorgt.
Und irgendwann während der letzten Tage hatte er sich in sie verliebt. In die Frau eines anderen.
Normalerweise hätte er sich der Versuchung durch Flucht entzogen. Er wäre im Eiltempo aus ihrem Leben verschwunden, ehe er es ihr ruinierte. Doch hier, ohne Fluchtmöglichkeit, zusammen auf einem Boot gefangen, gab es fast nur die Möglichkeit, sie zu vergraulen. Etwas zu tun oder zu sagen, das sie auf Distanz hielt. Leider war das unmöglich.
Diese Unfähigkeit seiner Schwäche zuzuschreiben, wäre Selbstbetrug, das wusste er. Er liebte Lorraine, und seine Gefühle für sie ließen nicht zu, dass er ihr wehtat. Was leider auch ausschloss, das zu tun, was er sich am meisten wünschte – sie umarmen, küssen, lieben und zärtlich sein.
Er machte sich Vorwürfe, weil er sich hatte hinreißen lassen, ihre Brust zu berühren. Er hätte gern eine Menge mehr getan und wusste, dass sie es zugelassen hätte. Genauso wusste er jedoch, dass sie es später bereut hätte. Er schwor sich, die Finger von ihr zu lassen, damit sie ohne Reue und Schuldgefühle zu ihrem Ehemann zurückkehren konnte.
Seine Beziehungen zu Marcie und anderen hatten hauptsächlich auf dem
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