Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
Globushaus transportieren.
Auch Olearius, der neben ihr stand, und abwartend die Arme vor dem Körper verschränkte, schien das Atmen vor Spannung vergessen zu haben. Jedes Bauteil, das an der Globusachse angebracht wurde, verstärkte seine Aufregung noch. Sophie dachte, dass er erstmals der Umwandlung seiner Gedanken in etwas ganz Konkretes, Stoffliches beiwohnte und man ihm das Rückgrat seiner Erfindung in seiner Gesamtheit vorführte. Sie sah, dass ihm Schweiß von der Stirn rann.
»Es wird gelingen«, versuchte sie den Gelehrten zu beruhigen. Fast hätte sie nach seiner Hand gegriffen, dann unterdrückte sie den Impuls. Catharina hatte ihr am Morgen erzählt, Olearius hätte vor Spannung nicht schlafen können. Noch im Morgengrauen hatte er sich an die Konstruktionspläne gesetzt, um jedes Detail wieder und wieder zu prüfen.
»Es muss gelingen.«
Olearius blickte starr auf die riesige Achse, die den Raum wie ein gewaltiges Schwert durchschnitt. Sonnenlicht fiel durch die Fenster auf das Eisen und ließ es wie von innen heraus leuchten.
»Wenn wir noch zu Lebzeiten des Herzogs fertig werden wollen, muss es nun vorangehen. Und Herzog Friedrich hat sich für heute Nachmittag zu einem Werkstattbesuch angesagt. Ich möchte ihn nicht enttäuschen.«
Sophie nickte, sie schwieg. Bösch und Olearius hatten lange über das Problem der Aufhängung diskutiert, die Lösung hatte sie wochenlang beschäftigt. Schließlich hatten sie sich darauf verständigt, die Konstruktion fast freischwebend und ohne jede Verstärkung an der Globusachse anzubringen. Das war ein Wagnis und erforderte großes Zutrauen in Böschs Können und das Material. Sophie wusste, dass die Eisenkonstruktion ein Gewicht tragen musste, das etwa zwei ausgewachsenen Pferden entspräche.
»Wird es halten?«, flüsterte sie. Sie bemerkte, dass der Globusmeister beschwörend über die eisernen Schienen strich, die den unteren Teil der Achse nun fast wie einen Mantel umgaben.
Olearius trat einen Schritt zur Seite, um noch besser sehen zu können. »Aus den Schienen wachsen nach unten acht lange und nach oben sechs kürzere Eisenarme«, kommentierte er den nächsten Arbeitsschritt, ohne Sophies Frage zu beantworten. »Die unteren tragen später den hölzernen Fußboden. An ihren Außenenden sind sie viermal verkröpft, um auch noch die runde Sitzbank und die Rückenlehne zu tragen. Die oberen halten die Tischplatte. Sie sind durch senkrechte Schienen mit den unteren Armen verbunden, sodass der Fußboden in der Kugelmitte an den oberen Armen hängt.«
»Dann wird man den unteren Sternenhimmel gar nicht sehen können?«
»Doch, doch.«
Olearius sah sie für einen Moment verwundert an, als begriffe er erst jetzt, dass Sophie seine Pläne nicht nur kopiert, sondern auch durchdrungen hatte.
»Der hölzerne Fußboden im Globus besteht aus einem ringförmigen Laufbelag. Der Herzog kann also zu seinen Füßen durch die große Öffnung in der Mitte weite Teile des südlichen Sternenhimmels betrachten. Dabei ist dieser in unseren Breiten stets unsichtbar unter dem Horizont verborgen.«
Die Gesellen schnauften unter dem Gewicht der eisernen Arme. Doch jedes Teil passte und vor ihren Augen wuchs das Skelett des Riesenglobus wie ein vielarmiger Krake heran, der seine Tentakel in alle Richtungen streckte.
Auch Bösch schien zufrieden. Die Spannung wich aus seinem Gesicht und Sophie bemerkte, dass ein leichtes Lächeln seine Lippen umspielte. Sie betrachtete sein Profil, dessen Umrisslinie ebenfalls zu glühen schien und sich vor dem dunklen Hintergrund der Werkstatt abzeichnete. In den vergangenen Wochen hatte er zwar kaum ein Wort an sie gerichtet, aber sie hatte bemerkt, dass er sich ab und an nach ihr umgedreht hatte. Sie war nicht länger ein Schatten. Sie war zu einem Detail geworden, das sich wie etwas Unverzichtbares in seine Werkstatt fügte. Und wenn sie in seiner Nähe war, schien er sich wohlzufühlen.
Auch jetzt drehte er sich leicht zur Seite und sah sie an. Sein Blick war ruhig, fast gelassen, doch auf dem Grund seiner Pupillen meinte sie Funken aufblitzen zu sehen. Ein angenehm wärmender Strom durchfuhr sie und Sophie fragte sich, wann sie sich das letzte Mal so wohlgefühlt hatte. Vielleicht war es mit Farid gewesen, diese eine Umarmung, jene Nacht, die sie geteilt hatten, bevor Ritter Rantzau und das Unglück sie wie eine monströse Welle überwältigt und alles Glück fortgespült hatten.
Farid. Sophie schloss für einen Moment die Augen. Sie
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