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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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hatte ihn nicht wiedergesehen. Er war fort, fort aus ihrem Leben, fort auch aus den Herzogtümern. Olearius hatte ihr erzählt, dass ihn seine Wanderung schon bis in die Mitte Deutschlands geführt hatte. Das Ziel war Amsterdam, die reiche Handelsstadt mit ihren verschwenderischen Blumenmärkten. Meister Friedrichs wartete händeringend auf die ersten Sendungen aus der Ferne.
    Käme Farid je zurück? Unwillkürlich schüttelte Sophie den Kopf. Sie dachte, dass Gottorfs Gärten nie bis auf den Grund seines Herzens vorgedrungen waren. Sie war seine Heimat gewesen, sein Halt in der Fremde. Es hatte lange gedauert, bis sie seine Abkehr von ihr verstanden hatte. Bis sie begriffen hatte, wie sehr sie Farid mit ihrem Schweigen verletzt haben musste. Aber was hätte sie ihm sagen sollen? Inzwischen hatte sie das Unaussprechliche im dunkelsten Winkel ihrer Seele vergraben.
    »Verdammt noch mal, was …«
    Olearius’ Fluch riss Sophie aus ihren Gedanken. Was war geschehen? Erschrocken öffnete sie die Augen.
    Olearius war einen Schritt nach vorne getreten, blieb dann jedoch erstarrt stehen.
    »Die Jungen …«, las Sophie von seinen Lippen. Sie folgte seinem ausgestreckten Arm.
    Tatsächlich … Auf der anderen Seite, quer durch die Werkstatt, sah sie Caspar und Adam, die Freunde waren ihnen unbemerkt gefolgt. In seinen Armen hielt Adam einen zahmen Raben, den Olearius den Knaben geschenkt hatte. Er drückte den kräftigen Vogel fest an seinen Körper, während Caspar die Arbeiten in der Schmiede mit großen Augen beobachtete.
    »Das ist kein Ort für die Kinder.«
    Olearius machte eine Handbewegung, die den Jungen seinen Unmut signalisieren sollte.
    »Raus mit euch!«
    Doch über das Lärmen der Werkzeuge, das Fauchen des Feuers und die Kommandos der Männer gingen seine Worte unter.
    Sophie sah, wie Caspar einen Schritt auf eine der lodernden Essen zu machte. Ein Schauer kroch ihren Rücken hinauf. Sie wusste, dass Caspars kindliche Neugier über sein kaum ausgeprägtes Gespür für Gefahr siegte. Das Feuer, die Werkzeuge, die schweren Eisenteile verwandelten sich in ihrer Vorstellung zu tödlichen Gefahren.
    »Caspar, nicht …«
    Sie trat ebenfalls vor, schrie dem Jungen ihre Angst entgegen und fuchtelte mit den Armen. Bösch, der ihre Bewegung in seinem Rücken wahrgenommen hatte, drehte sich verwundert um.
    Dann geschah alles ganz schnell. War es Sophies Fuchteln gewesen, ein lautes Geräusch, das Aufeinanderprallen von Metallteilen? Später hatte niemand sagen können, was genau geschehen war.
    Es war der Rabe, der sich aufgeregt flatternd aus Adams Armen befreit hatte und nun wild durch die Werkstatt schoss.
    Während Adam wie erstarrt stehen blieb und sich sein Gesichtchen zu einem ängstlichen Weinen verzerrte, setzte Caspar dem Vogel, der panisch nach einem Ausweg aus der Werkstatt suchte, mit wilden Sprüngen nach.
    »Caspar, zurück!«
    Wie durch einen Zauberschleier, der alle Ereignisse überdeutlich und gleichzeitig um wenige Sekunden verzögert abbildete, nahm Sophie die Geschehnisse wahr.
    Sie sah, wie der Rabe auf die Schlossergesellen zuschoss und diese erschrocken und verwirrt vor dem schwarzen Wesen zurückwichen und ins Stolpern kamen. Sie sah, wie die Globuskonstruktion sich zu drehen begann und aus dem Gleichgewicht geriet. Und während Caspar dem Vogel nach und auf die Globusachse zustürmte, löste sich eines der schweren Eisenteile aus seiner provisorischen Verankerung.
    Und fiel herab. Fiel herab auf ihren Sohn, der nur Augen für den Raben hatte.
    »Nein!«
    Sophie konnte nicht sagen, ob sie es war, die geschrien hatte. Aus den Augenwinkeln heraus sah sie Olearius und Bösch, die sie entsetzt anstarrten. Doch da lief sie schon, stolperte voran, um ihren Sohn zu retten. Um ihn irgendwie zur Seite zu stoßen, bevor das fallende Eisen ihm den Rücken bräche.
    »Nein!«
    Ihr Schrei – oder waren es die Schreie der anderen? – durchstieß den Raum. Das Wort war greifbar, es schmeckte nach Asche und Rauch, nach Feuer und Blut.
    »Caspar …«
    Sie sah ihn vor sich, das fliegende Haar, die großen Augen, die Rantzausche Nase. Ein Unglück, das sich durch das Zutun ihres Körpers und Etwas, das sie nie begriffen hatte, in Liebe verwandelt hatte.
    Und Caspar streckte seine Arme nach ihr aus.
    Sie widerstand dem Verlangen, ihn schützend an sich zu ziehen. Mit letzter Kraft stieß sie ihn von sich. Hinaus aus dem todbringenden Kreis der Eisenkonstruktion.
    Noch mehr Geschrei, das Weinen ihres Kindes –

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