Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
Handlangern gesellt. Olearius fand, dass die Baustelle in den Terrassen einem Wanderzirkus glich. Die fähigsten Handwerker und Künstler ihrer Zeit gaben dort ihr Gastspiel. Jeden Tag entstanden neue staunenswerte Details und von früh bis spät dirigierte der Hofmathematicus die Arbeiten am herzoglichen Wunderwerk.
»Kein Geringerer als Cornelis van Mander führt die Steinmetzarbeiten am Globushaus aus«, stellte er Bösch etwa den Schöpfer des Herkules vor. Für van Manders Skulpturen kam teurer Wesersandstein auf dem Schiffsweg nach Gottorf.
Kupfer und Walzblech wurden aus Hamburg geliefert, für die Schlosserarbeiten hatte Nickel Willemsen aus Schleswig den Zuschlag bekommen. Neben Mauerankern, Fenster- und Türbeschlägen hatte dieser das eiserne Gerippe für die Turmzwiebel angefertigt – ein in Form und Gestalt in den Herzogtümern einmaliges Werk. Bösch bewunderte die ausgefallene Arbeit. Auch die Glaserarbeiten lagen in den Händen eines Schleswiger Meisters. Da Herzog Friedrich sich für sein Lusthaus besonders klare Scheiben wünschte, orderte man das Glas hierfür eigens aus Holland und Lübeck.
Bösch folgte Olearius durch den Schlamm der Baustelle, er stellte nur wenige Fragen. Als er alles gesehen hatte, verlangte er, die ihm zugedachte Werkstatt kennenzulernen. Nach einer kurzen Nachtruhe und einem hastigen Frühstück am nächsten Morgen ließ er seine Gesellen die Schmiedefeuer anheizen.
Während sich die Arbeiten am Globushaus auf den Innenausbau konzentrierten und man im Keller begonnen hatte, eine stabile Stützkonstruktion für den schweren Globus zu errichten, der später im Saal darüber montiert werden sollte, machte Bösch sich in seiner Werkstatt daran, die riesige Kugel nach Olearius’ Entwürfen in Einzelteilen zu fertigen. Man würde sie dann, so sahen es die Pläne des Hofgelehrten vor, nach und nach im Globushaus zusammensetzen.
Der Büchsenmacher hatte den Umgang mit Metall von klein auf gelernt. Limburg, zwischen Aachen und Lüttich gelegen, war für seine hervorragenden Eisenwaren bekannt. Außerdem war Bösch mit den neuesten Techniken vertraut und auch in Mathematik und Mechanik bewandert. Achtzehn Reichstaler erhielt Bösch als monatlichen Sold, fast doppelt so viel wie ein ausgelernter Geselle in seiner Werkstatt erhoffen durfte. Und schon bald hatte er sich die Achtung des Globusschöpfers verdient.
Auch Sophie bewunderte die Künste des Limburgers. Ihre Arbeiten für den Blumenmaler waren nahezu beendet, und sie war nun mehr und mehr für Olearius verfügbar, der ihre Kräfte gerne in Anspruch nahm. Statt Blüten und Blätter zu zeichnen, arbeitete sie nun die technischen Details des Globus aus und vervielfältigte oder kolorierte Pläne. Außerdem begann sie, erste Entwürfe für die Bemalung des Globus nach den Karten und Atlanten des Amsterdamer Kartografen Joan Blaeu zu skizzieren. Wenn Olearius die Zeit fehlte, Bösch in der Schmiede aufzusuchen, beauftragte er sie, dem Globusmeister seine jüngsten Detailpläne in die Werkstatt auf dem Hesterberg zu bringen.
Die Schmiedewerkstatt war für Sophie ein Ort, der ganz und gar konträr zu allen Erfahrungen stand, die sie bislang in den Gärten gemacht hatte. Dort war es laut und heiß, Feuerströme wanden sich wie glühende Schlangen aus Schmelztiegeln, Funken sprühten, wenn die Männer das Metall mit gewaltigen Hämmern bearbeiteten. Etwas Vulkanisches, Düsteres und doch durch und durch Schöpferisches haftete den schweißüberströmten Schmieden und ihrer Arbeit an. Aus roher Gewalt und scheinbar planlos gesetzten Schlägen auf glühendes Metall erwuchsen am Ende die Bauteile für Olearius’ Wunderwerk. Es war wie Zauberei.
Wenn Sophie Zeit erübrigen konnte und nicht sofort an die Seite des Hofgelehrten zurückeilen musste, drückte sie sich in eine Ecke der Werkstatt und beobachtete die Männer bei ihrer Arbeit. Sie sah, wie Bösch und seine Gehilfen die eiserne Innenkonstruktion für den Globus aus Erzen und Feuer fertigten. Riesige Teile wie die Innenachse des Globus entstanden durch die Bündelung von Willen, Kraft und Wissen, und gebannt starrte sie auf die kräftigen Hände des Globusmeisters, die sowohl das gewaltige Feuer beherrschten als auch feinste Details auszuführen vermochten.
Andreas Bösch war kein schöner Mann, doch er war groß und auf eine seltsame Weise faszinierend. Kluge, fast bernsteinfarbene Augen saßen unter dunklen Brauen. Das volle Haar nahm er meist im Nacken zu einem Zopf
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