Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
seine Stimme gehört.«
»Was redest du da? Daran darfst du nicht denken.«
Catharina strich ihr über die Wange.
»Wir brauchen dich doch, Sophie. Wir alle. Und ganz besonders Olearius. Du bist die Einzige, die sich noch in dem Durcheinander seiner Pläne zurechtfindet.«
Erst über ihr Fehlen war ihm deutlich geworden, wie wichtig Sophie inzwischen für ihn geworden war. Niemals hätte Olearius gedacht, dass ein anderer Mensch die Kapriolen seiner Gedanken verstehen und für alle Welt fassbar machen könnte. Noch dazu eine Frau – ohne jede wissenschaftliche Ausbildung. Doch Sophie begriff sein Wollen und seine Launen intuitiv, seine Skizzen und Pläne – flüchtige Kritzeleien bisweilen, in schlaflosen Stunden geboren – waren ihr schnell verständlich. Sie schien darin spazieren gehen zu können wie in einem Garten. Und was sie dabei sah, übertrug sie fein säuberlich und in wunderbar aufgeräumten Linien auf die dem Globusmeister zugedachten Pläne. Selbst Catharina, die ihn doch so gut kannte und die sein Liebstes war, hielt darin nicht Schritt mit Sophie. Während seine Frau alle Aufträge gewissenhaft und auf genaue Anweisungen hin erfüllte, bewegte Sophie sich in ihrem eigenen Kosmos. Sie nahm ihm die Blätter aus der Hand und arbeitete daran, während er noch nicht einmal wusste, ob die Idee etwas taugte. Sophie besaß eine eigene schöpferische Kraft, die sich mit seinen Fähigkeiten ganz selbstverständlich ergänzte, und bisweilen dankte er Gott dafür, dass Er sie in sein Haus geführt hatte.
Die Zeit ihres Krankenlagers war für Olearius deshalb furchtbar gewesen. Plötzlich war er wieder auf sich selbst zurückgeworfen, die alten Flüchtigkeiten und Zweifel schlichen sich wieder ein, die sie ohne ein Wort mit wenigen Federstrichen bereinigt hätte.
Zudem machte er sich die größten Vorwürfe. Hätte er das Unglück nicht verhindern können? Hätten sie nicht bessere Sicherheitsmaßnahmen ergreifen müssen – auch zum Schutz der Schlossergesellen? Schließlich war Bösch und ihm klar gewesen, dass das Eisenkonstrukt nur in seiner Gesamtheit austariert und stabil wäre. Während des Aufbaus jedoch hatte jede unvorhersehbare Störung das fragile Gleichgewicht aushebeln und die Eisenstreben zum Einsturz bringen können.
Und so war es dann ja auch geschehen.
Außerdem war er es gewesen, der den Kindern den Raben geschenkt hatte. Aus einer kindlichen Laune heraus hatte er den Vogel im Sommer einem fahrenden Händler, der auf Gottorf seine Waren feilgeboten hatte, abgekauft. Brahe, so hatte er das Tier wegen des dunklen Krächzens nach dem großen dänischen Astronomen benannt, hatte das Abenteuer unbeschadet überstanden. Sophie dagegen hätte fast mit ihrem Leben für seinen Leichtsinn bezahlt.
»Schau du nur, Brahe«, funkelte er den Raben grollend an, der nun in einem großen Käfig in seinem Arbeitszimmer saß und sich offensichtlich langweilte. Jedenfalls gähnte der große Vogel wie ein Mensch und spreizte seine Flügel. Die Jungen, so hatte Olearius verfügt, durften nur noch unter Aufsicht mit dem Vogel durch die Gärten ziehen. »Wärest du so weise wie dein Namensvetter …«
Es klopfte an der Tür. Olearius kam nicht dazu, seinen Satz zu vollenden.
»Störe ich Euch?«
Der Globusmeister steckte seinen Kopf durch die Tür. Er musste sich bücken, um nicht gegen das Holz des Türrahmens zu stoßen.
»Nein, nein. Ich habe mich mit Brahe unterhalten.«
Olearius wies auf den Raben, der ihnen nun den Rücken zukehrte und aus dem Fenster starrte.
»Er sehnt sich nach Freiheit.«
»Er ist ein verspielter Narr. Ich bin ihm noch gram.«
»Wir sind die Narren. Wir hätten …«
»Ich weiß, ich weiß.« Olearius winkte ungeduldig ab. »Wir hätten Seile spannen müssen. Und natürlich hätten die Kinder niemals in die Werkstatt gelangen dürfen.«
»Ich komme gerade von Sophie.« Bösch zeigte mit der Hand zur Decke, genau über ihnen befand sich Sophies Kammer. Auf Catharinas Geheiß musste sie noch immer das Bett hüten. »Mir scheint, dass sie Fortschritte macht.«
Olearius nickte. »Ja, es geht voran. Vor ein paar Tagen war sie noch so blass wie ein Leinentuch. Was macht Eure Hand?« Er wies auf die verbundene Linke des Schlossers, auch Bösch hatte sich an der Eisenstange verletzt.
»Es ist nichts«, schüttelte Bösch den Kopf. »Die Wunde verheilt ordentlich. Nichts, worum wir uns Sorgen machen müssten.«
»Dann können wir weiterarbeiten?«
Nach dem Unfall in der
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