Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
dann zog er den Zopf aus seinem Hemd hervor und roch daran.
Hatte sie wirklich geglaubt, dass sie davonkommen würde? Dass er sie laufen ließe?
Es gab keinen Gott, aber es gab einen Teufel. Und dieser lauerte ihr am Brunnenrand auf. Er warf sie zu Boden und schnitt sie mit einem Messer aus ihren nassen, schweren Röcken. Sein Gesicht – eine verzerrte Fratze.
Wieder legte sich eine Schlinge um ihren Hals und während der Teufel über ihr war, sie wieder und wieder peinigte, gefiel es ihm, dass sie verzweifelt nach Atem rang. Ungerührt rauschten die Fontänen in der Dunkelheit.
Zum Schluss lag sie still, nicht fähig, auch nur einen Finger zu rühren. Sie wusste, dass sie nicht sterben würde. Auch beim ersten Mal war sie nicht gestorben. Aber sie spürte, dass er ihren Lebenswillen gebrochen hatte.
Sie verfluchte ihn, als er sie schließlich nass und geschunden im Staub liegen ließ. Sie hörte seine Schritte, die sich entfernten, sein Lied, das er pfiff. Als sie nur noch das Rauschen des Brunnens vernahm, spuckte sie aus und würgte. Nach einer Weile versuchte sie mühsam, sich hinzuknien.
Der nächste Schritt. Sie kroch zum Brunnen. Irgendwie schaffte sie es, sich am Rand hochzuziehen. Dann ließ sie sich in das kalte Wasser fallen.
Für einen Moment dachte sie, dass das Wasser sie nun davontragen könnte. Sie schloss die Augen und ließ sich auf den Grund des Brunnens sinken. Doch dann sah sie das Bild ihres schlafenden Sohnes vor sich. Caspar ließ sie nicht ziehen. Als sie glaubte, in die Schwärze zu gleiten, stieß sie sich vom Beckenboden ab, tauchte auf und holte tief Luft. Über ihr ragte die Skulptur des Herkules in den Nachthimmel.
Aber sie musste sich waschen, seine Spuren, seinen Samen, seinen Geruch von ihrem Körper spülen. Wieder und wieder tauchte sie unter, rieb sich ab mit Schlamm, bis die Haut wund war und der Schmerz sie aus dem Wasser trieb.
Immer noch konnte sie kaum gehen. Sophie raffte die zerschnittenen Röcke zusammen, suchte ihre Schuhe und die zerbrochene Lampe, dann machte sie sich auf den Weg zurück, hinauf zur Schmiede auf den Hesterberg.
Je länger sie ging, sich durch die Terrassen schleppte, desto stärker spürte sie das Schweigen in den Hecken. Nicht ein Laut drang aus den Blätterwänden, kein Nachtwesen, das durch das Laub raschelte, kein Vogel, der in seinen Träumen aufschreckte, als sie gegen die Einfriedungen taumelte.
Auch die Kälte spürte sie nicht. Ihr Körper glühte noch immer von den Schlägen und dem eisigen Bad im Brunnen. Wie Flammen, die an ihr züngelten, brannte das Geschehene auf ihrem Leib. Brannte sich ein, immer tiefer, und ihre Tränen konnten das Feuer nicht löschen.
Was hatte sie nur getan? Wieder und wieder fragte sie sich, wie sie hatte glauben können, sich mit dem Sporn von Ritter Rantzau zu befreien.
Ja, sie hatte an die Redlichkeit des Handels geglaubt: der goldene Sporn gegen Caspars Leben, ihr Schweigen gegen Rantzaus Versprechen, aus ihrem Leben zu verschwinden. Auch wenn sie es besser wusste, für einen Moment hatte sie auf seine ritterliche Ehre vertraut. Sie hatte gedacht, dass sich etwas verändert hätte – schließlich schenkten ihm nicht nur die Ritter in den Herzogtümern, sondern auch der Herzog und König im fernen Kopenhagen ihr Vertrauen.
Und für einen Augenblick hatte alles nach einem guten Ausgang ausgesehen. Selbst als sie in Panik den Sporn von sich geschleudert hatte, hatte sie noch auf ein versöhnliches Ende gehofft. Rantzau hatte den Sporn aufleuchten sehen, er hatte gehört, dass das Gold im Brunnenwasser versunken war. Er hätte sie ziehen lassen und selbst nach dem Schmuck suchen können.
Doch als der Sporn durch die Luft wirbelte, hatte sich etwas zwischen ihnen verändert. Ein Riss war durch das dünne Gespinst ihres Kontrakts gefahren.
In der Schmiede war es dunkel. Nur vereinzelt leuchteten Glutpunkte in den Ascheresten der Esse auf.
Sophie zitterte, hart schlugen ihre Zähne aufeinander. An einem Haken fand sie einen Mantel, in den sie sich hüllen konnte. Irgendjemand hatte ihn dort vergessen. Die Wolle kratzte auf ihrer geschundenen Haut, doch die Wärme tat ihr gut. Das Zittern ließ nach, ein Gefühl tiefer Erschöpfung breitete sich in ihrem Körper aus.
Was sollte sie tun? Sophie dachte, dass sie sich nicht zu Bösch legen könnte. Sie konnte jetzt keinen anderen Menschen an ihrer Seite ertragen. Jede Berührung wäre eine Qual. Stöhnend legte sie einen Scheit Holz auf die
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