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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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und trete willig ab. Sonst ist alles getan, bis an das schwarze Grab.«
    Auch Melissa murmelte etwas, sie war in Tränen aufgelöst. Obwohl Catharina ihr über die Jahre zur zweiten Mutter geworden war, hing sie doch an ihrer Schwester. Ihre Zuneigung war tief, auch wenn ihr Band nie so eng geknüpft war wie Sophies Verbindung zu Christian.
    Dann trat Caspar vor. Es war schmerzlich zu sehen, wie das Kind mit bebenden Lippen vor seiner sterbenden Mutter stand.
    Catharina spürte, dass er nicht weinen wollte, doch sie flüsterte ihm zu, dass er sich nicht schämen müsse.
    »Weine, Caspar, weine«, sagte sie und nahm ihn fest in ihre Arme. »Sie ist deine Mutter und sie verdient deine Tränen. Jede einzelne …«
    Und so warf sich Caspar schluchzend über Sophie, begrub sie unter seinem Schmerz, bis der Tränensturz versiegte und Olearius ihn aus dem Zimmer trug.
    Caspar hatte Abschied genommen und zuletzt, unbemerkt von allen anderen, hatte er seiner Mutter etwas in die kalten, leblosen Hände gedrückt.

ZWEI
    »Sator …«
    Nach endloser Dunkelheit durchbrach ein Wort die Stille. Sophie lauschte. Eine Kinderstimme, hell und von unbändigem Willen.
    »Arepo …«
    Caspar. Plötzlich sehnte sie sich danach, ihn in ihre Arme zu ziehen. Wo war er die ganze Zeit gewesen? Sophie dachte, dass sie einige Stunden fort gewesen war. Sie hatte jedes Zeitgefühl verloren.
    »Tenet …«
    Was waren das für seltsame Worte? In ihren Ohren klangen sie wie eine fremde Melodie.
    »Opera …«
    Ein Bannspruch … Sophie begann, sich zu erinnern. Wie Zahnrädchen in ihrem Kopf griffen die Erinnerungen ineinander. Immer schneller begann das Räderwerk sich zu drehen. Bilder und Gefühle wirbelten in ihren Gedanken durcheinander – der Garten, ihr Sohn, die Sternenbilder. Und Bösch, der Globusmeister. Wo war er?
    »Rotas …«
    Sator arepo tenet opera rotas – das war der Bannspruch. Johannas Bannspruch, er hatte ihr so manches Mal geholfen. Besaß er die Kraft, sie aus der Dunkelheit zu befreien?
    Sophie versuchte, sich zu bewegen. Doch ihr Körper gehorchte ihrem Willen nicht. Sie fror und fühlte sich wie unter einer Schicht aus Eis begraben.
    Sator arepo tenet opera rotas. Noch einmal wiederholte sie die magischen Worte. Sie versuchte, ihre Lippen zu bewegen, nach Luft zu schnappen, sich aus dem Eispanzer zu befreien.
    Etwas Süßes rann in ihren Mund. Süßer Wein … Sie spürte, wie er auf der Zunge brannte, Tropfen für Tropfen die Kehle hinabrann und die Barriere aus Eisschollen überwand. Silberne Sterne flackerten vor dem dunklen Grund ihrer Lider auf, Kraft und Zuversicht.
    Sator arepo tenet opera rotas. Wieder versuchte sie, sich zu bewegen. Einen Finger, eine Hand. Eine Anstrengung, die kaum zu bewältigen war.
    »Allahu akbar …«
    Noch eine weitere Stimme, wohlig und vertraut. Sie war noch weiter in der Zeit zurückgereist. Da war kein Eis mehr. Sie streckte die Hand nach der Stimme aus, versuchte, ihre Melodie zu fassen. Nun war ihr so, als müsste sie sich durch dichtes Blattwerk kämpfen. Wieder drehte das Räderwerk sich in ihrem Kopf.
    Wo war sie?
    »Allahu akbar …«
    Der fremde Junge! Sophie sah ihn vor sich, sah seine fließenden Bewegungen, den merkwürdigen Tanz, hörte den Strom der feierlich-fremden Worte. Er hatte ihr zunächst Angst eingeflößt, doch dann hatte sie in seine dunklen Augen gesehen. Sie waren tief und gleichzeitig warm und freundlich. Sie hatte gedacht, dass sie den Perser nicht fürchten müsste.
    Der Perser – war er zurück?
    Sophie versuchte, ihre Hand zu heben, sein Gesicht durch das Blätterwerk zu berühren.
    Nun sah sie das dunkle, wellige Haar, von dem sie wusste, wie es roch. Sah die persische Nase, den weichen, schwungvollen Mund, von dem sie wusste, wie er küsste. Wie er sie geküsst hatte. Sie spürte seine Lippen.
    »Allahu akbar …«
    Etwas nahm ihre Hände, drückte sie. Ein mächtiger Strom floss durch ihren Körper.
    Wie war sein Name?
    Ihr Kopf schmerzte noch immer, aber da war kein Fieber mehr. Zum ersten Mal nach so langer Zeit fühlte sie sich frei und unbeschwert. Sie roch den Frühling, Fliederduft.
    Flieder. Farid. Endlich. Er war ihr ganz nah. Wie lange hatte sie ihn nicht gesehen?
    Sie öffnete den Mund, schnappte nach Luft.
    »Farid …« Ihre Stimme klang heiser, wie das Rätschen eines Rabenvogels.
    »Farid …« Sie versuchte es noch einmal. Und während sich sein Name von ihren Lippen löste, öffnete sie die Augen.

    Catharina hätte nicht sagen

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