Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
zurückkehren und sicher und in Frieden mit Caspar leben. Sie dachte, dass sie sich ein wenig Glück verdient hätte.
Trotzig schloss Sophie die Hand um den Sporn, sie spürte seine Spitze, die sich in ihre Handfläche bohrte. Fester und fester ballte sie die Faust, bis sie Blut spürte, dann steckte sie den Schmuck zurück in den Lederbeutel.
»Es ist für Caspar«, flüsterte sie in die Nacht. »Er trägt das Blut unserer Familie in sich, er ist unsere Zukunft. Und er muss leben.«
Nachdem sie alle Spuren am Grab beseitigt hatte, sah sie nicht mehr zurück. Entschlossen machte sie sich an den Abstieg, hinunter zum Herkulesbrunnen.
Christian Rantzau wartete schon. Sie hob die Lampe. Er saß auf dem Rand des Brunnenbeckens und starrte sie an.
»Wo ist der Sporn?«
Sophie hielt das Säckchen hoch, plötzlich verspürte sie abgrundtiefe Angst. Sie wusste, dass das Rauschen des Brunnens jeden Hilfeschrei übertönen würde.
»Zeig ihn mir!«
Sie war etwa fünfzehn Fuß von Christian Rantzau entfernt, in ihrem Rücken thronte das Globushaus über den Terrassen. Mit zittrigen Händen befreite sie den Sporn aus seiner ledernen Hülle und hielt ihn in die Höhe.
»Gib ihn mir!«
Rantzau war nun aufgestanden, er streckte fordernd die Hände nach ihr aus. Sophie wich zurück.
»Ihr lasst mir meinen Sohn«, brach es aus ihr heraus. »Ich will Euch nie wiedersehen!«
»Sophie …«
Er kam ihr entgegen, die Handflächen nach oben gestreckt. Für einen Augenblick wirkte er ganz und gar harmlos. Er schien noch nicht einmal seinen Degen bei sich zu tragen.
»Ich will nur den Sporn. Das Kind interessiert mich nicht.«
»Bleibt stehen!«
»Gib mir den Sporn! Er gehört mir.«
Er tat noch einen Schritt, und die Panik siegte über ihren festen Vorsatz, ruhig zu bleiben. Sie wollte nur noch fort. Ihr Arm schnellte zurück und sie warf den Sporn von sich. In hohem Bogen segelte der Schmuck auf das Brunnenbecken zu, dann versank er im schwarzen Wasser.
ELF
Das dumme Ding! Christian Rantzau sah, wie der funkelnde Sporn in seine Richtung flog, ein glitzerndes Kreiseln. Unwillkürlich duckte er sich zur Seite. Mit einem hässlichen Geräusch schlug der goldene Bügel auf dem Wasser des Brunnenbeckens auf und versank.
»Verdammte Metze!«
Noch bevor sie in der Dunkelheit in den Terrassen verschwinden konnte, war er bei ihr und packte sie an ihrem langen Schopf.
»Das wirst du bereuen …«
Er schleifte sie zum Brunnen und stieß sie über den Rand ins Becken. Dann stieg er hinterher, das Wasser schwappte in seine Stiefel.
»Ich will den Sporn!«
Sie wehrte sich nicht. Immer wieder drückte er ihren Kopf unter Wasser, er ließ ihr kaum Zeit, um Luft zu holen. Ihr langes Haar und der weite Rock bauschten sich wie Medusen um ihren Körper.
Und sie konnte nicht schreien, ihm nicht entkommen. Er war zu stark und sein Zorn machte ihn noch stärker. Wenn er ihren Kopf kurz auftauchen ließ, spuckte sie Wasser und rang verzweifelt nach Luft. Sie winselte um ihr Leben.
»Wenn du den Sporn nicht findest, ersaufe ich dich wie eine läufige Hündin.«
Das Wasser des Brunnenbeckens war nicht tief, es reichte ihm knapp bis zur Hüfte. Aber der Boden war von Schlamm und fauligen Blättern bedeckt. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie mit dem Sporn auftauchte.
»Mein!«
Endlich. Er griff nach dem Schmuck und stieß sie von sich. Kalt und seltsam fremd lag der Sporn in seiner Hand. Das Wappen seiner Familie leuchtete ihm entgegen. Wie lange hatte er auf diesen Moment gewartet?
»Mein, mein, mein …«
Seine Stimme klang heiser, er spürte, wie sich ein Schluchzen in seinem Innersten löste. Er wärmte das Gold in seiner Hand, drückte es an sein Herz, dort, wo er noch immer Jonnas verblichenen Zopf spürte.
Was war das für ein köstlicher Triumph! Er war nun frei, niemand könnte ihn mehr anklagen, ihm den Stolz der Rantzaus nehmen. Das Weib würde für alle Zeiten schweigen, um nicht das Leben ihres Sohnes zu gefährden. Und alle anderen Zeugen waren tot. Gott war auf seiner Seite – auf Christian Rantzaus Seite.
Aus den Augenwinkeln heraus sah er, wie die Hündin aus dem Wasser watete. Sie taumelte, kämpfte, war zu Tode erschöpft. Der nasse Rock zog sie immer wieder unter Wasser.
Im schwachen Mondlicht, das nun durch die Wolken brach, erinnerte ihn ihre Silhouette an Jonna. An das Bild der nassen, toten Jonna.
Jonna … Etwas regte sich in ihm. Er stieg aus dem Becken, ließ den Sporn in seinen nassen Stiefel gleiten,
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