Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
sehr.
»Ja, lass uns Abschied nehmen«, flüsterte sie ihm zu. »Abschied nehmen von unserem Sternengarten.«
Ihre Habseligkeiten passten in ein großes Bündel. Da war das Buch, das Catharina ihr einst geschenkt hatte und worin sie alles notiert hatte, was sie in den Gärten und an der Seite von Olearius und Bösch gelernt hatte. Die geheimen Pläne des Riesenglobus … Und auch der zerknitterte Brief an Farid steckte zwischen den Seiten, als ob er doch noch auf eine Gelegenheit, auf seinen Moment, wartete. Dazu etwas Kleidung, Pinsel und Federn und ihr Talisman, ein wenig Geld und einige Pflanzensamen aus den Gottorfer Gärten.
Sophie schlug das Tuch übereinander und knotete es sorgfältig zusammen. Bösch hatte geplant, mit Pferd und Wagen nach Hamburg zu fahren und dann elbaufwärts weiter nach Dresden zu reisen. Auf dem Karren stapelten sich bereits die Kisten mit dem Werkzeug des Globusmeisters. Auch Caspars Sachen waren darunter, er würde bei Bösch in die Lehre gehen.
Seufzend blickte Sophie sich in den leeren Räumen der Schmiede um. Hier hatte der Globusbau seinen Anfang genommen, nun stand die Riesenkugel im Globushaus. Die nahezu vollendete Sphaera Copernicana hatten die Männer des Herzogs hinüber in den Globussaal des Schlosses geschaffen. Nichts erinnerte mehr daran, dass an diesem Ort zwei Wunderwerke, die in ganz Europa ihresgleichen suchten, entstanden waren.
»Sophie …«
Bösch trat durch die Tür, er hatte die letzten Gepäckstücke mit Caspar auf dem Wagen verstaut. Morgen wollten sie aufbrechen, rechtzeitig genug, um nicht zwischen die Fronten zu geraten. Denn nach einem Eilmarsch aus Polen war der schwedische König völlig überraschend für die Dänen in den Herzogtümern erschienen. Die Flammen des Krieges züngelten bereits. Die schwedische Streitmacht legte es darauf an, die in Holstein stehende dänische Armee zurückzudrängen und die Herzogtümer und den größten Teil Jütlands zu besetzen. Sobald sich die Kämpfe ausweiteten, würde die Bevölkerung der Herzogtümer schrecklich leiden. Und auch das Reisen wäre dann unmöglich.
»Bist du soweit?«
Sophie schreckte aus ihren Gedanken auf, sie zeigte auf ihr Bündel. Dann streckte sie ihm ihre Hände entgegen und ließ sich in seine Arme fallen.
»Wollen wir?«
Bösch nickte. Mit einem Lächeln zog er einen gewaltigen Schlüssel aus seiner Jacke hervor.
»Olearius hat ihn mir gegeben. Bevor wir fahren, müssen wir ihn noch zurückbringen.«
Das Globushaus war inzwischen vor Plünderungen gesichert worden. Die Männer des Herzogs hatten Fenster und Türen vernagelt und mit Schlössern gesichert. Doch im untersten Kellergeschoss, dort wo sich der Mühlenantrieb befand, gab es ein verborgenes Wehr, durch das man in das Gebäude kommen konnte. Nur wenige wussten davon.
Hand in Hand liefen sie vom Hesterberg auf den Globusgarten zu. Es war September, ein lauer Abendwind wehte durch die Hecken und bewegte die Blätter. Doch ihr leises Rascheln war der einzige Laut in den Gärten, die sich still und verlassen um das Schlossgelände erstreckten. Aufbruch und Flucht hatten sich wie ein Fluch über die Schlossinsel gelegt. Nicht ein Vogel sang, ja selbst die Fontänen des Herkulesbrunnens waren verstummt. Die Gärten wirkten wie eine verlassene Bühne, die Hecken waren nur Kulissen. Und trotzdem waren so viele Erinnerungen mit diesem Ort verbunden. Im Stillen bat Sophie darum, dass die fremden Truppen nicht bis auf die Insel in der Schlei gelangen mochten.
Sie schwiegen, bis sie das Globushaus erreicht hatten. An der Ostseite befand sich das Wehr, durch das Wasser von oben auf das Mühlrad strömen konnte. Vorsichtig kletterten sie den Hang hinab, bis sie das Becken erreicht hatten, in dem das Wasser für den Mühlenantrieb gestaut wurde. Sophie raffte ihre Röcke, dann folgte sie Bösch in das Becken hinein, bis sie vor dem Gitter standen.
Der Schlüssel passte und Bösch zog das Wehr mit einem Ruck auf. Er musste sich bücken, um in das Gebäude zu gelangen. Im Inneren, unterhalb des gewaltigen Mühlenrads, kletterte er aus dem Wasser und reichte Sophie seine Hand. Mit klopfendem Herzen folgte sie ihm in den Mühlenkeller.
Es war wie eine Reise durch das Herz der gewaltigen Maschine. Wenn man den Globus bewegen wollte und den Wasserzulauf öffnete, begann das Mühlenrad sich am unteren Ende einer senkrechten Welle zu drehen. Auf diese Weise setzte sich der Antrieb bis in die oberen Stockwerke fort. Durch die einzelnen
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