Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
der Sternenhimmel mehr und mehr zu ihrem Sternengarten, den sie mit Liebe und Ausdauer bestellte.
Die Himmelsbilder lenkten Sophie ab von ihren Gedanken an Farid, die Schönheit und Erhabenheit der Welt tröstete sie. Auch das Kriegsgetöse am Horizont, die Drohgebärden der Schweden und Dänen, nahm sie unter ihrem schillernden Himmel nicht wahr. Im Globusinneren lauschte sie allein ihrem eigenen Herzschlag und der Melodie der Sterne.
Jeden Morgen tauchte sie ab in eine ferne Welt und wenn sie abends zurück in die Schmiede kam, fielen ihr über dem Abendessen fast die Augen zu. Sie war erschöpft – aber auf eine höchst befriedigende Art und Weise.
In der Schmiede setzte Bösch alles daran, die Sphaera Copernicana zu vollenden. Wie geplant geriet sie zum gedanklichen und technischen Gegenstück des großen Globus.
»Sie demonstriert die Verhältnisse im Universum nach den Vorstellungen des Kopernikus’ wie keine andere Maschine, die ich kenne«, äußerte Olearius sich begeistert, wenn er die Fortschritte der Weltmaschine begutachtete. Bisweilen behauptete er sogar, sie zeige mehr Kunst als der große Globus. Dann schüttelte Bösch den Kopf und errötete über das Lob des Gelehrten.
Oft kam Olearius abends noch in die Schmiede, um mit dem Globusmeister über das eine oder andere Detail zu sprechen und trotz ihrer Müdigkeit versuchte Sophie, dem Gespräch der Männer zu folgen.
Die Weltenmaschine wurde inzwischen von einem Sockelgehäuse getragen, das ihren Antrieb, ein starkes Federuhrwerk, in sich barg. »Es ähnelt einem Tischuhrwerk«, erklärte Bösch den Mechanismus. »Allerdings muss es mehr als zwanzig Bewegungsabläufe gleichzeitig in Gang halten.«
Aus der Mitte des Uhrwerks lief eine Antriebswelle senkrecht durch die Sphäre, die sich auch vom Uhrwerk abkuppeln ließ, wenn man in einen Handbetrieb wechseln wollte.
Sophie staunte immer wieder über den Tanz der Planeten auf ihren Bahnen. Die kleinen Silberfiguren hielten ihr jeweiliges Symbol in den Händen und bewegten sich im gleichen Tempo um die Sonne wie die Planeten des Sonnensystems.
»Merkur läuft in achtundachtzig Tagen um die Sonne«, wusste inzwischen selbst Caspar zu berichten. Er war nun elf Jahre alt, groß und kräftig gewachsen und hatte sich als Böschs Gehilfe bewährt. »Venus in zweihundertdreiundvierzig Tagen, die Erde innerhalb eines Jahres und Mars in einem Jahr und dreihundertfünfundzwanzig Tagen. Jupiter jedoch benötigt mehr als elf Jahre und Saturn sogar mehr als neunundzwanzig Jahre.«
Caspar hatte seiner Mutter auch erklärt, dass lediglich die Erdbahn keine Silberfigur trug. Hier verkörperte eine winzige Sphäre, die auf der Erdbahn saß, Erde und Mond.
»Die beiden Himmelskörper haben wir durch Kugeln dargestellt«, verkündete er stolz, denn er hatte eine der Kugeln gießen dürfen. »Die Erde vollführt ihre tägliche Drehung, wobei die Erdachse stets in dieselbe Richtung zum Himmelsnordpol weist. Der Mond kreist in etwas mehr als siebenundzwanzig Tagen um die Erde und zeigt dabei seine Phasen.« Anhand eines kleinen Ziffernblattes ließ sich außerdem die Tageszeit ablesen.
Immer wieder beugte Sophie sich staunend über die wundersame Maschine, die von einem eigenen göttlichen Funken erleuchtet schien. Besonders angetan hatten es ihr die figürlichen Sternbilder auf der äußeren, feststehenden Sphäre, deren Figuren aus Messingblech geformt waren. Das Sternbild des Großen Hundes war zudem mit einem Scharnier und einem Schließhaken versehen, so dass es sich öffnen und aus der Sphärenfläche herausklappen ließ. Dahinter verbarg sich der Handantrieb für die Maschine. Wenn sie an der Kurbel drehte, ließen sich die Bewegungsläufe der Himmelsphäre beschleunigen, so dass die wundersame Mechanik des himmlischen Kreisens auch für das bloße Auge sichtbar wurde. Trotzdem, so dachte sie, würden die Geheimnisse des Kosmos wohl für alle Zeiten ein Wunder und Spektakel bleiben. In ihrem Zusammenwirken offenbarten Planeten und Sterne die Erhabenheit der göttlichen Weisheit und des göttlichen Willens. Seiner Allmacht verdankte die Welt ihre wunderbare Ordnung und Harmonie.
Der Krieg brach im Sommer anno 1657 wieder über die Herzogtümer herein. Es war Olearius, der die düstere Botschaft aus dem Schloss in die Schmiede trug.
Sophie und Bösch ruhten sich nach ihrem Tagwerk unter der Eiche vor der Werkstatt aus, als der Gelehrte früher als gewöhnlich auf dem Hesterberg eintraf.
»Dänemark hat
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