Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
Geschosse folgten Sophie und Bösch der Antriebswelle, die im Globussaal am Globusfundament endete.
Der Wasserantrieb war noch nie in Betrieb gewesen, und Sophie konnte sich kaum vorstellen, dass das Wasser aus dem Becken den schweren Globus in Gang setzen könnte. Auch wenn sie die Konstruktionspläne bis ins Detail kannte und die Entstehung der einzelnen Maschinenteile in der Schmiede verfolgt hatte, erschien ihr das Zusammenwirken der Wellen, Schnecken und Zahnräder plötzlich unmöglich.
»Was ist, wenn die Räder nicht genau ineinander greifen?«, wagte sie Bösch auf den komplizierten Mechanismus anzusprechen. »Wie kannst du fortgehen, ohne den Mühlenantrieb auch nur ein einziges Mal laufen gesehen zu haben?«
»Wir haben alles genau berechnet, Sophie. Selbst wenn, wie im Sommer, nur wenig Wasser in den Gärten zur Verfügung steht, wird die Globusmaschine laufen. Das Wasserrad kann den Globus bewegen.« Bösch schwieg einen Moment, bevor er fortfuhr. »Aber vielleicht wird der Herzog den Wasserantrieb nicht kontinuierlich nutzen wollen. Die kaum wahrnehmbaren Bewegungen des Globus sind für den Betrachter ohnehin schwer nachzuvollziehen. Durch den Handantrieb im Globusinneren lässt sich der Sternenlauf viel eindrucksvoller darstellen. Ich denke, dass der Herzog den Wasserantrieb nur stundenweise und für interessierte Besucher in Gang setzen wird.«
Sophie nickte. »Ich möchte die Sterne tanzen sehen«, flüsterte sie.
Sie standen nun vor dem Riesenglobus. Bösch hatte eine Kerze angezündet und leuchtete in den Raum. Wie Traumbilder sprangen ihnen die gemalten Kontinente von der Globushaut entgegen.
»Dann komm …«
Er lief um die Kugel herum und entriegelte geschickt die Einstiegsluke. Noch immer stand der schäbige, hölzerne Tritt davor. Sophie dachte daran, dass sie zuletzt zwischen Olearius und dem Herzog im Globus gesessen hatte. Damals hatte es den Sternenhimmel noch nicht gegeben.
Bösch kletterte zuerst in die Kugel, dann reichte er ihr die Hand und half ihr beim Einstieg.
Als sie im Globusinneren waren, stieß Sophie einen überraschten Schrei aus. Bösch hatte noch mehr Kerzen entzündet, auf der hölzernen Bank lagen Kissen, ein kostbarer Teppich bedeckte den Boden.
»Der Herzog scheint ebenfalls Abschied genommen zu haben.«
Bösch war ebenso überrascht, wie sie selbst. Er setzte sich vorsichtig zwischen die Kissen und zog Sophie an seine Seite. Sie zählte mehr als zwanzig Kissen und bemerkte, dass deren Stoffe ebenfalls mit Sternbildern verziert waren.
»Du meinst, er hat ganz allein unter den Sternen gesessen und die Bilder auf sich wirken lassen?«
»Er hat unter deinem Sternenhimmel gesessen, Sophie. Vielleicht hat er darüber nachgedacht, dass nie etwas Großartigeres auf Gottorf geschaffen worden ist. Ja, vielleicht nicht einmal in der Welt. Mir ist jedenfalls kein vergleichbares Objekt bekannt. Noch haben nur wenige Eingeweihte Kenntnis davon, aber in Zukunft wird man den Riesenglobus mit den Wundern der Alten vergleichen. Er wird ein Magnet für die Fürsten und Gelehrten in ganz Europa sein.«
Ein Schauer fuhr über Sophies Rücken. Sie blickte nach oben, sah die Sternenkuppel. Im flackernden Licht der Kerzen schimmerten die Sternenbilder geheimnisvoll.
»Die Sterne …«
Sanft stieß sie Bösch in die Seite und er verstand. Mit beiden Händen packte er die Handkurbel in der Mitte des Globus und begann daran zu drehen.
Wieder blickte Sophie in den Sternenhimmel hinauf. Jetzt tanzten die Sterne nach einer geheimen Melodie über ihren Köpfen. Sie meinte, Sphärenklänge zu hören, den Gesang der Planeten. Tränen traten ihr in die Augen. Alle Zeit, alles Irdische schien wie ausgelöscht. Als Bösch die Arme um sie legte, folgte sie seinem Verlangen.
Sanft schob er sich neben sie, auf sie, von den Kissen glitten sie hinunter auf den Teppich. Er bedeckte sie mit Küssen, wartete auf ihr wortloses Einverständnis – und sie kam ihm entgegen. Ihr Atem wich einem Seufzen, das sich im Gesang der Sterne auflöste.
»Mit dir«, summten die Sterne. »Mit dir sein, zweifach und eins. Dich zu spüren, länger als eine Ewigkeit, jenseits der Zeit.«
SIEBEN
In der Nacht wachte sie auf. Die Kerzen waren erloschen, Bösch schlief an ihrer Seite. Sie hörte sein gleichmäßiges, vertrautes Atmen. Wenn sie ihren Kopf auf seine Brust legte, spürte sie das Schlagen seines Herzens, den Takt seines Lebens.
Das Schlagen seines großen Herzens.
Sie fühlte sich geborgen. Sophie
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