Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
ihn, wo sie nur konnten.
Sophian hatte versucht, ihm ihre Missgunst zu erklären. »Der Neid treibt sie an, Farid. Uns Gartenjungen erwartet nichts als harte Arbeit, vielleicht werden wir sogar unser ganzes Leben auf diesem Hügel verbringen. Aber du kannst auf eine Zukunft hoffen. Die Gartenlehre bei Meister Friedrichs öffnet dir die Tür zu einem besseren Leben. Und später, als sein Geselle, wirst du in den Herzogtümern von Residenz zu Residenz reisen können. Dein Lebensweg führt dich wie auf einer Leiter nach oben, während wir uns für alle Zeiten durch die Erde wühlen müssen.«
War das so? Farid dachte, dass diese Leiter, von der Sophian sprach, sehr lang sein müsste, um ihn wieder dorthin zu befördern, wo er schon einmal gewesen war. Sein Vater hatte schließlich einen hohen Posten am persischen Hof bekleidet. Sein Leben war angenehm und ohne Sorge gewesen. Bis … Farid schüttelte unwillkürlich den Kopf, er wollte nicht daran zurückdenken. Ja, vielleicht hat Sophian recht, dachte er im nächsten Moment. Vielleicht schulde ich den anderen Mitgefühl und nicht Zorn.
Er zuckte die Achseln, legte den Kopf schief und schaute noch einmal hinauf, doch die Jungen hatten sich abgewandt. Farid sah, dass sie mit einer Schleuder auf einen Pfau zielten. Der Schuss saß, schreiend flatterte der Vogel auf. Doch einer der Gesellen hatte den Streich beobachtet. Schimpfend und gestikulierend lief er auf die Burschen zu, dann setzte es Ohrfeigen. Mit flammenden Wangen nahmen die Gartenjungen ihre Arbeit wieder auf.
Sophian hatte das Schauspiel ebenfalls beobachtet, er stieß ihn an und grinste. Sein Mund zog sich wie ein Halbmond über das Gesicht. Das helle Haar, das im Sonnenlicht silberfarben schimmerte, klebte an Stirn und Nacken. Kleine Schweißtropfen glitzerten auf der Nase und über dem Lippenbogen. Farid stutzte. Plötzlich verspürte er das Verlangen, dem Freund über das glitzernde Band der Lippen zu streichen, der Spur der Schweißtropfen zu folgen. Was war das? Eine alberne Vorstellung! Er lachte auf und schüttelte den Kopf, verjagte den Gedanken.
»Was ist?«
Sophian stieß den Spaten hart in die Erde, um Wurzelwerk zu durchtrennen. Seine Bewegungen waren geschmeidig und effektiv, er kam gut voran, obwohl sein Körper doch so zart wie eine Blume war.
»Du bist viel schneller als ich, dabei bist du doch …« Farid bemerkte den Blick des Freundes.
Sophian rollte mit den Augen, er mochte es nicht, wenn man ihn auf seine Zartheit ansprach.
»Ich bin länger am Hang als du.« Er hielt inne, drehte sich zu Farid und beobachtete stirnrunzelnd, wie er den Spaten hielt. »Und ich bin harte Arbeit gewohnt. Warte …« Sophian nahm seine Hand und veränderte etwas an ihrer Position. Die Berührung war kurz und nüchtern, trotzdem wünschte er sich, dass Sophian nicht damit aufhörte. »So ist es besser!«
Farid nickte. Gemeinsam machten sie sich wieder an die Arbeit. Über die Monotonie des Grabens verloren sich seine Gedanken erneut im Strom der Erinnerungen.
Allahu akbar . Jetzt sah er die gewaltige Königsmoschee am Naqsch-e Dschah ā n vor sich. Unter ihrer schimmernden Kuppel hatte er am liebsten zu Gott gebetet. Wenn er aufsah, hatte sich sein Blick im unendlich scheinenden Blau des gewölbten Himmels verloren. Er meinte, Musik zu hören. Und wenn er aus der Moschee herausgetreten war, lag der größte Platz der Welt zu seinen Füßen. An manchen Abenden hatten sie dort Windspiele an Leinen in den Himmel steigen lassen. Wenn die bunten Drachenfiguren aus Seide und Bambus im heißen Abendwind in den Himmel schaukelten, hatte er das Gefühl reinsten Glücks verspürt. Er hatte Jubelschreie ausgestoßen, und sein Vater hatte lachend auf ihn herabgeblickt und seine Hand gedrückt. So würde das Paradies sein, hatte er damals gedacht. Strahlend und von unfassbarer Schönheit.
Das Paradies … Als Schah Abbas I. seine Hauptstadt 1598 von Qazvin nach Isfahan verlegt hatte, hatte er tatsächlich befohlen, die Oase in ein Abbild des Paradieses zu verwandeln. Farids Vater hatte ihm erzählt, dass der Schah viele Zehntausend Künstler, Handwerker und Händler nach Isfahan umgesiedelt hatte, damit sie für ihn Paläste, Gärten und Moscheen anlegten.
Gläubigkeit und Frömmigkeit sollten das Fundament der Stadt bilden, so hatte Abbas I. befohlen, der Handel jedoch war zu ihrer sprudelnden Lebensader geworden. Mitten in der Stadt war ein Handelszentrum entstanden, in dem der Schah jeder Zunft, jedem
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