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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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sich über die Lider. Für einen winzigen Augenblick konnte Farid den Blick auf ein Stück nackte Haut erhaschen, die der Freund am Bauch entblößte.
    »Zwei persische Fürsten griffen die Gesandten bei den Armen und geleiteten sie zum Schah. Das ist alte Tradition und soll verhindern, dass sich Angreifer dem Herrscher nähern. Philipp Crusius und Otto Brüggemann verneigten sich tief vor Schah Safi, der ihnen zulächelte und auf zwei niedrige Stühle neben den versammelten Khanen und Fürsten deutete. Erst als sie Platz genommen hatten, ließ er durch den Großmarschall nach dem Namen und Begehren des Herrn fragen, der sie nach Isfahan geschickt hatte.«
    Lange Reden waren nicht gehalten worden, die Beglaubigungsschreiben der Gesandten hatte der Reichskanzler entgegengenommen, um sie übersetzen zu lassen. Dann hatte der Schah die Gesandten an die Tafel geladen, die sich unter den goldenen Karaffen und Schüsseln bog. Musiker spielten auf, Handpauken, Schalmeien, Pfeifen, Lauten und Geigen erklangen. Gaukler belustigten die Gäste mit ihrer Fingerfertigkeit und ihrem artistischen Geschick. Nach anderthalb Stunden war die Tafel aufgehoben und warmes Wasser zum Händewaschen in einer goldenen Schenkkanne gereicht worden.
    »Und der Vertrag?«
    Farid schüttelte den Kopf. »Soweit ist es nicht gekommen. Ich habe nie genau verstanden, was später passiert ist. Eigentlich sollte mein Vater ja mit nach Gottorf reisen, um die Verträge mit den Juristen des Herzogs aufzusetzen. Aber dann …« Er zuckte mit den Achseln und wandte den Blick ab. »Mein Vater …« Er konnte nicht weitersprechen.
    Sophian berührte ihn vorsichtig an der Schulter. Farid war ihm dankbar, dass er nicht weiterfragte. Er spürte, dass es auch in der Vergangenheit seines Freundes etwas gab, über das dieser nicht sprechen konnte. Da war etwas, das sie verband. Ein starkes Gefühl wortlosen Verstehens.
    Plötzlich lachte Sophian auf. »Da ist etwas in deinem Haar.« Vorsichtig schnippte er Blütenblätter von seinem Kopf. »Flieder«, murmelte er nachdenklich. »Weißer Flieder …«
    Er sah ihm in die Augen, lächelte wieder. »Wie Schnee …«
    »He, Muselmann …« Die Gartenjungen hatten wieder Mut gesammelt. Offenbar war der Geselle verschwunden. Im nächsten Moment prasselten Steine auf sie herab.
    »Sie können es einfach nicht sein lassen.« Geistesgegenwärtig zerrte Sophian ihn hinter die Hecken in Deckung. Dann langte er an seinen Gürtel und zog eine Schleuder hervor.
    Farid staunte. In einer einzigen geschmeidigen Bewegung sprang Sophian auf, zielte und ließ sich wieder fallen. Als sie den Schmerzensschrei von oben vernahmen, lagen die Freunde längst wieder lachend hinter den Hecken.
    »Vielleicht darfst du dir doch nicht alles gefallen lassen, Flieder.« Sophian grinste und sah ihn herausfordernd an. Sein Blick war auf einmal wild und ungestüm – und doch schwang noch etwas anderes darin. Eine Tiefe, die Wärme und Zuneigung spiegelte.
    Farid lachte. Er dachte, dass er einen Freund in der Fremde gefunden hatte. Einen Komplizen, den er sich immer gewünscht hatte.

VIER
    »Ich hoffe, Ihr seid vorangekommen?«
    »Durchlaucht …« Olearius beeilte sich, mit dem Herzog Schritt zu halten. Sie hatten das Neue Werk durch die Pforte am Schleiufer betreten und spazierten auf den Herkulesbrunnen zu. In einigem Abstand folgte ihnen der unvermeidliche Aufzug von Wachen, Räten, Lakaien und Hunden. Auch der Kanzler hatte sich unter die Männer gemischt. Fast schien es so, als hätte sich der gesamte Hofstaat aufgemacht, die Fortschritte des Gartenmeisters zu begutachten.
    Es war Nachmittag, die Sonne in ihrem Rücken senkte sich über den Wassern der Schlei. Von den Terrassen des Hügels wehte sie der Duft von frischem Grün und aufgeworfener Erde an. Und in den Bäumen sangen die Vögel zu Ehren des hohen Besuchs – ein Chor aus Amseln, Meisen und Finken. Eichelhäher ließen ihr lautes, raues Rätschen hören. Olearius hob den Blick und sah die blau gezeichneten Rabenvögel durchs Gehölz flattern.
    Ich hoffe, Ihr seid vorangekommen? Das war wohl die Frage, vor der er sich am meisten gefürchtet hatte. Er holte tief Luft, sein Spazierstock zitterte einen Augenblick in der Luft, bevor er ihn zögerlich in den sandigen Untergrund bohrte.
    »Durchlaucht, ich bin mit den theoretischen Voraussetzungen für die Konstruktion des Globus beschäftigt.« Olearius senkte unwillkürlich die Stimme, er dachte an die Unordnung in seinem Studierzimmer.

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