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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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mandelförmigen Augen, die scharfe Nase, den weich geschwungenen Mund. Blätter schmiegten sich wie ein Kranz um den Kopf und rahmten das dunkle, leicht wellige Haar. Der Ausdruck seiner Augen erinnerte sie an den treuen und gleichzeitig wachsamen Blick eines Hundes. Als er plötzlich nieste, musste sie lachen.
    »Du bist der Perser«, stellte sie fest und erhob sich. Dann wusste sie nicht, was sie noch sagen sollte. Verlegen strich sie sich die kurzen Haare aus der Stirn.
    »Ich heiße Farid.«
    »Sophie … Sophian …« Sie hatte sich noch immer nicht an ihren neuen Namen gewöhnt.
    »Was bedeutet das?«
    Sophie schüttelte den Kopf, sie hatte noch nie darüber nachgedacht.
    »Farid bedeutet so etwas wie wertvoll und unvergleichlich in deiner Sprache.«
    »Du sprichst sie, als ob du hier geboren wärest.«
    Farid lächelte erfreut. »Kann ich zu dir kommen?« Als Sophie nickte, verschwand das Gesicht wieder hinter den Blättern. Wenig später stand er vor ihr. Sophie bemerkte, dass er fast einen Kopf größer war als sie. Wie alt mochte er sein?
    »Ich bin aus Isfahan nach Gottorf gekommen, als ein Geschenk des Schahs an den Herzog.«
    »Ein Geschenk …« Sophie schüttelte erstaunt den Kopf. Sie hatte davon gehört, dass die herzogliche Gesandtschaft sich mit einigen Persern auf die Rückreise gemacht hatte. Doch nur einer hatte die Strapazen und das fremde Klima überlebt.
    In ihrer Fantasie hatte sie sich die Perser jedoch viel dunkler und exotischer vorgestellt, so wie den Mohren, der einmal an Bord eines Handelsschiffes nach Schleswig gelangt war. Damals waren die Leute im Hafen zusammengelaufen, um den dunkelhäutigen Knaben zu bestaunen. Viele hatten geglaubt, dass dieser kopfüber in ein Fass mit Tinte getaucht worden war. Doch so sehr man auch an Armen und Beinen gerieben hatte, die schwarze Farbe war echt. Der Bürgermeister und auch einige Ratsherren hatten sich davon überzeugen können.
    »Ich dachte, die Muselmänner tragen einen …« Sophie wusste nicht, wie man den fremden Kopfschmuck bezeichnete. Sie fuhr sich verlegen durch die Haare.
    »Turban?« Farid nickte. »Die Herrscher und Gelehrten … Man würde mich hier wie einen Barbaren anstarren.« Nun strich er sich ebenfalls durchs Haar. »Aber die Perser sind keine Wilden«, fuhr er fort. »Wir glauben auch an einen Gott und unser Glaube hat, so wie ich inzwischen bemerkt habe, viel mit dem Christentum gemein.«
    Sophie schwieg, sie konnte nichts dazu sagen. Plötzlich kam sie sich dumm und unwissend vor. Das Kribbeln in ihrem Bauch verstärkte sich. Sie versuchte sich vorzustellen, was Farid auf seiner Reise nach Gottorf erlebt hatte. Nach einer Weile zeigte sie hinunter auf das Schloss. »Ist der Schah so reich wie unser Herzog?«
    Farid lachte auf. Sein Rosenmund verzog sich zu einem strahlenden Grinsen und entblößte eine Reihe gleichmäßiger, elfenbeinfarbener Zähne. »Isfahan ist eine prächtige Stadt«, antwortete er. »Und Schah Safi ist unermesslich reich. Sogar das Zaumzeug seiner Pferde ist mit Gold und Edelsteinen beschlagen.«
    Sophie schüttelte ungläubig den Kopf. Gold und Edelsteine, was erzählte der Perser da? »Wie viele Menschen leben in Isfahan?«
    Farid dachte nach, seine Hand wirbelte durch die Luft. »Die Stadt beherbergt zahlreiche Völker, es sind wohl fünfzigmal so viele Menschen wie in Schleswig.«
    Sophie nickte beeindruckt. Sie begann, Gefallen an dem Gespräch zu finden. Sie dachte, dass sie lange nicht mehr so viel gesprochen hatte. Farid öffnete ihr das Tor zu einer vollkommen fremden Welt.
    »Und sehnst du dich zurück nach Persien?« Sie sah, dass ein Schatten über sein Gesicht wanderte. Er blickte zu Boden, seine Füße scharrten im Laub.
    Plötzlich verspürte Sophie das Verlangen, ihn zu berühren. Seine Trauer schwappte hinüber in den schwarzen See ihres eigenen Schmerzes. Sein Schweigen sank schwer auf sie herab, hüllte sie ein in einen Schleier. Sie tat einen Schritt auf ihn zu.
    Im Hintergrund schrie ein Pfau. Der Schleier zerstob und wehte fort.
    »Minh-ao«, flüsterten sie beide. Dann sahen sie sich in die Augen und lachten.

DREI
    Ihm fehlten die Gerüche der Stadt. Die Gewürze auf dem Basar, die Teppiche, das Leder, der Staub, das Durcheinander der Menschen auf den Straßen. Und die Hitze, die sich mittags wie eine Glocke über die Häuser legte, das blendende Licht, die harten Schatten. Die Teejungen, die ihren Kunden heiße, süße Getränke servierten, der Ruf des Muezzins zum Gebet.

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