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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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als der Wassermann sich nicht bewegte, berührte er das Wesen. Sachte wischte er ihm die Haare aus dem Gesicht.
    Der Nöck sah ihn mit großen Augen an. Christian wollte aufschreien, er öffnete den Mund, schluckte Wasser, zappelte, dann wurde ihm schwarz vor Augen. Wo war oben, wo war unten? Er dachte, sterben zu müssen, mit letzter Kraft bewegte er sich auf das Licht zu.
    Atmen, nur atmen. Die Panik schnürte ihm die Kehle zu, seine Zähne klapperten. Oss klammerte sich an einen Ast, der ins Wasser hing. Er kannte diesen Blick. Was er dort unten zwischen den Fischleibern gesehen hatte, war das Gesicht des Todes. Kalt, leblos, anklagend – so hatte er ihn bis in sein Innerstes hinein gespürt.
    Ein toter Nöck. War er etwa durch eine Verletzung seines Angelhakens gestorben?
    Nein, das konnte nicht sein. Oss dachte, dass er keine Bewegung, kein Zucken und Zerren an seiner Schnur gespürt hatte. Das Wesen musste bereits leblos auf dem Grund gelegen haben, sein Haken hatte sich lediglich in den Kleidern des Wassermannes verfangen.
    Oss atmete wieder ruhiger, seine Beine traten gleichmäßig Wasser. Plötzlich siegte seine Neugier über den Schrecken. Das Wesen war tot und er wollte seine Angel noch nicht verloren geben. Warum tauchte er nicht noch einmal hinab, um den Nöck an Land zu ziehen? Dann könnte er sich sattsehen an diesem Wunder. Und vielleicht verbarg sich sogar noch ein Schatz in den Kleidern des Wassermannes?
    Wieder hinab. Oss schwamm nun zügig in die Tiefe, er vermied es, dem Wesen ins Gesicht zu blicken. Beherzt packte er den Nöck unter den Schultern, dann stieß er sich vom Grund ab und schwamm mit seiner Last nach oben.
    Der Wassermann war schwer, doch etwas verlieh ihm Kraft. Er dachte an seinen toten Vater, dann spürte er schlammigen Boden unter den Füßen. Keuchend erreichte er das Ufer und zog den Nöck an Land. Dort bettete er ihn vorsichtig ins Ufergras.
    Aufgeregt trat Oss einen Schritt zurück. Ihm war nun kalt und er zerrte Hemd und Hose über die nasse Haut. Fröstelnd rieb er sich die Brust, dann sank er neben dem Nöck in die Knie und nahm seine Hand.
    Das Wesen kam ihm nun seltsam menschlich vor. Seine Haut war blass und zart, er konnte weder Schuppen noch Schwimmhäute erkennen. Das helle Haar glich feuchtem Menschenhaar, einige Wasserspflanzen hatten sich darin verfangen. Wasser sickerte aus seinem Mund, die Nase war ein wenig flach.
    Und das Hemd? Es war ohne Schmuck, aus Leinen gewebt. Vielleicht hatte der Nöck es einer Wäscherin geraubt?
    Vorsichtig und von einer quälenden Neugier erfüllt schob Oss das Hemd nach oben.
    Er wusste nicht, was er erwartet hatte, doch der Anblick der goldenen Scham versetzte ihm einen Schock. Erschrocken ließ Oss sich ins Gras fallen. Das hier war kein Wassermann, das war eine Wasserfrau. Eine Frau, nein, vielmehr eine junge Frau, fast noch ein Mädchen. Er hatte keinen Nöck aus dem Wasser gezogen, sondern ein Mädchen mit kurzem Haar. War es ertrunken?
    Heiße und kalte Schauer rasten durch seinen Körper und plötzlich klang der Gesang der Vögel wie hässliches Geschrei.
    Oss bekreuzigte sich und Tränen liefen ihm über die Wangen. Sophie erschien vor seinem inneren Auge und er dankte Gott, dass er dieses Mädchen nie zuvor gesehen hatte. Was war nur mit ihm geschehen?
    Wieder beugte er sich vor, um ihre Scham zu bedecken. Sein scheuer Blick fiel auf ein merkwürdiges Mal, das die Fremde auf ihrem Schenkel trug.
    Es war rot, so rot wie ein Feuermal, dachte Oss. Doch etwas daran kam ihm seltsam bekannt vor. Mit dem Zeigefinger strich er vorsichtig über die Stelle, die so groß wie ein Daumennagel war. Das war … ein Brandmal.
    Das Wappen … Oss zuckte zusammen. Das Wappen der Rantzaus, die Büffelhörner. Sein Blick fiel auf die Striemen an ihren Armen. Und plötzlich verstand er. Dieses Mädchen war nicht ertrunken, nein, es hatte sich ertränkt. Eine furchtbare Schande, etwas Unaussprechliches, hatte es ins Wasser getrieben und auf den Grund des Weihers gezogen. In ein dunkles, feuchtes Grab.
    Entsetzt schluchzte Oss auf. Er bemerkte, dass seine Lippen sich im Gebet bewegten. Behutsam strich er die Haare des Mädchens glatt und faltete ihre Hände im Schoß. Er zog seinen Angelhaken aus ihrem Hemd, dann legte er ihr einen Strauß aus Gräsern auf die Brust.
    Zuletzt schloss er die Augen der Toten. Sie sah nun aus wie eine Schlafende, friedlich und ohne Sorge. Oss stand da und konnte sich nicht von ihr lösen. Erst als er Stimmen

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