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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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»Wahrscheinlich trägt es ein Balg unter dem Herzen.« Schamlos betrachtete er das Geschlecht der Toten. Der weiße Bauch war vom Wasser aufgedunsen. Ein Brandmal prangte auf dem Schenkel, die winzigen Büffelhörner sprangen Rantzau ins Auge. Erschrocken trat er einen Schritt zurück.
    »Kennt Ihr die Dirne?« Kielmann schlug das Hemd wieder herunter. Für einen Augenblick hatte Rantzau gedacht, dass seine speckigen Finger sich auf das Zeichen legen und ihn bloßstellen könnten. Jetzt sah er das kurze Haar. Jonna, dachte er. Warum hatte sie sich den Zopf abgeschnitten? Warum hatte sie ihn verraten? Sie war doch seins!
    »Sie gehört zu meinen Leuten.« Die Wut auf das Mädchen traf ihn wie ein Schlag. Rantzau spürte, dass ihm die Zornesröte ins Gesicht schoss. Er ballte die Fäuste. Mit den Stiefelspitzen stieß er der Toten in die Seite.
    Das Fleisch war noch weich, sie war noch nicht lange tot. Er hätte weiter auf den Körper einprügeln, ihren Brustkorb eintreten, dem Blutrausch folgen können, doch die Gegenwart des Kanzlers hielt ihn davon ab. In Gedanken aber malte er sich aus, wie ihre Knochen unter seinen Tritten brachen. Sie war sein – immer noch.
    »Jemand hat sie vor uns gefunden.« Kielmann richtete sich mühsam wieder auf. Er wies auf die geschlossenen Augen und gefalteten Hände. »Man hat sie aus dem Wasser gezogen. Vielleicht hat man ihr auch das Haar abgeschnitten.«
    Das Haar … Rantzau konnte noch spüren, wie es schwer in seinen Händen gelegen hatte. Er fühlte sich betrogen – um diese Nacht und um alle weiteren vergnüglichen Zusammenkünfte mit dem Ding.
    »Ich bringe Euch zurück zum Schloss.« Er fasste den Kanzler am Arm und drehte ihn weg von dem toten Mädchen. »Ich lasse meine Männer kommen. Sie werden es im Wald verscharren.«
    Kielmann sah ihn zustimmend an. »Selbsttötung und Kindsmord«, schüttelte er den Kopf. »Sie wird für alle Ewigkeiten in der Hölle schmoren.«
    »Niemand soll davon erfahren.« Rantzau sah seinen Gast eindringlich an. »Ich will keine Aufregung unter meinen Leuten.«
    Kielmann blieb stehen, auch er sah ihm in die Augen. »Was sollte ich denn erzählen, Ritter Rantzau? Da draußen liegt ein Niemand. Ein Nichts. Es ist nichts geschehen, genauso wie auch in Eurem Kabinett nichts von Belang erörtert worden ist.« Dann strich er sich zufrieden über seinen Bauch und stapfte durch das hohe Gras auf das Schloss zu. »Das Fleisch ist gar, Ritter Rantzau. Lasst uns den Abend genießen!«

    Das Festmahl zog sich bis in die späten Abendstunden. Der Kanzler ließ sich viermal vorlegen – Wildbret und gebratener Ochse mundeten ihm offenbar vorzüglich, während Christian Rantzau keinen Appetit verspürte. Das tote Mädchen ging ihm nicht aus dem Sinn und ließ ihn sauer aufstoßen. Wie Motten das Licht umkreisten seine Gedanken die Ereignisse des Nachmittags. Und je mehr Wein er trank, rot und schwer, desto höher schlug die Welle des Zorns und der Empörung in seinem Magen.
    Als der Kanzler sich gegen Mitternacht endlich zurückzog, rief er seine Wachen zusammen und ließ sich zu der Hütte führen, in der Jonnas Mann lebte. Er wollte den Zopf – und er wollte Rache nehmen. Rache für etwas, das er nicht benennen konnte und das doch wie ein wildes Feuer in ihm brannte.
    Die Bauernkate lag am Rande des Dorfes, das die Breitenburg nach Westen hin umschloss. Es war nun tiefe Nacht, Fackeln beleuchteten ihren Weg über die dunklen Pfade. Tiergeräusche aus einfachen Verschlägen drangen an ihr Ohr, ein Hund schlug kurz an, doch eine Stimme rief den Köter zur Ruhe. Dann waren sie da. Mit einem Tritt gegen das Holz sprang die Tür auf.
    Die Hütte besaß nur einen Raum. Jonnas Mann lag nicht in seinem Bettkasten, er war wach. Unbewegt saß er an einem Tisch, in seiner Hand hielt er den goldenen Zopf. Er schien auf die Männer gewartet zu haben. In seinen Augen las Rantzau stumme Ergebenheit. Mit einer Handbewegung schickte er seine Männer vor die Tür. Dann zog er den zweiten Stuhl zurück und setzte sich an den Tisch.
    »Deine Frau ist tot, Bauer«, sagte er leise. »Ersoffen. Hinten an den Teichen. Hast du ihr das eingeredet?«
    Der Bauer sah ihn nicht an, mit der rechten Hand strich er über den Zopf, der nun geflochten war. Er schwieg.
    »Ich will wissen, ob du ihr das eingeredet hast, Bauer.« Rantzau schlug mit der Hand auf die Tischplatte und der Zopf, geschmeidig wie ein Reptil, rutschte ihm entgegen.
    »Nein, Herr.«
    »Warum geht das dumme Ding

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