Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
Kerzenschein sah er ihren Blick flackern. Langsam zog er sich den Siegelring vom Finger und hielt ihn ihr vor die Augen. Das Gold spiegelte sich in der Schwärze ihrer Pupille, das Wappen der Rantzaus leuchtete auf.
»Du gehörst mir, Jonna.«
Er zog den Ring zurück, hielt ihn über die Kerze. Die Flamme leckte daran, er spürte, wie sich das Gold erhitzte.
»Nur für dich, Jonna.«
Noch einmal bog er ihre Beine auseinander. Dann drückte er das Siegel in ihr weißes Fleisch.
Ein Seufzer wehte von ihren Lippen und für einen Moment verspürte er so etwas wie Enttäuschung. Doch der Geruch nach verbranntem Fleisch verdrängte das Gefühl. Er sog ihn ein, tief hinab in seine Brust. Wie ein Feuermal prangte sein Zeichen auf der Innenseite ihres Schenkels.
»Mein«, murmelte er und zog sie hoch. Dann stieß er sie aus seinem Bett. Er sah, wie sie nach ihren Kleidern griff und sich das Hemd über den Kopf zog. Ohne sich noch einmal umzublicken, öffnete sie die Tür und verließ sein Gemach.
Kanzler Kielmann traf am Nachmittag des folgenden Tages auf Burg Rantzau ein. Sein Kommen war Christian Rantzau durch einen Boten angekündigt worden. In einem Schreiben hatte der Kanzler von einer »höchst wichtigen und unaufschiebbaren Sache« gesprochen und ihn um eine Unterredung gebeten. Man würde, so hatte der Vertraute des Herzogs verlauten lassen, seine Gastfreundschaft nicht länger als einen oder zwei Tage beanspruchen.
Der Kanzler war auf der Durchreise. Christian Rantzau hatte erfahren, dass der Kaiser den Advokat in den Freiherrenstand erheben wollte. Der Titel würde mit weiteren Annehmlichkeiten wie Landbesitz und Vererbbarkeit des Prädikats einhergehen.
»Elender Schmarotzer«, hatte Christian getobt, als ihm die Nachricht zu Ohren gekommen war. Jetzt musste die Ritterschaft doch endlich einsehen, dass die bürgerlichen Räte ihnen ihre Privilegien streitig machten. Der Herrenstand konkurrierte mit dem Ritterstand, und der Aufstieg der gelehrten Herren kostete die Ritter Ansehen, Land und Vermögen.
Johann Adolf Kielmann war ein beleibter Mann. Als er mit seinen Männern auf Breitenburg eintraf, wunderte Christian Rantzau sich für einen Moment, dass der Kanzler sich trotz seiner Fülle auf ein Pferd geschwungen hatte. Doch sein Anblick war auch imposant: Satt und selbstgefällig thronte der schwere Körper im Sattel, über einem stattlichen Bauch und der massigen Schulterpartie wackelte ein beeindruckendes Doppelkinn.
»Willkommen, Kanzler.« Mit einer knappen Verbeugung bezeugte Rantzau ein Mindestmaß an Respekt vor dem Amt seines Gastes. Dann ließ er Kielmann in das Herrenhaus führen, in seinem Kabinett hatte er Bier und Wein, etwas Süßes und Salziges bereitstellen lassen.
Auf dem Weg in sein Arbeitszimmer beobachtete Rantzau, dass der Kanzler den Zustand der Burg taxierte. Arbeiter waren an den Nebengebäuden beschäftigt, das Kavalierhaus lag noch immer in Schutt und Asche und die Fassade des Westflügels war seit Jahren von einem Gerüst bedeckt. Auch in seinem Kabinett beugte Kielmann sich interessiert über die Pläne, die auf Rantzaus Arbeitstisch lagen. Dann erst ließ er sich ächzend in einen der prächtigen, geschnitzten Lehnstühle fallen.
»Wird es gelingen, Rantzau?«
Christian Rantzau nickte verblüfft. Er hatte nicht erwartet, dass der Kanzler sich für seine Belange interessierte.
»Die Burg hielt Wallensteins Belagerung zwei Wochen stand. Meine Bauern gaben ihr Leben …«
Kielmann nickte und sein Kinnlappen hüpfte auf und ab. Genüsslich griff er nach einer Handvoll Süßigkeiten und schob sich diese in den Mund.
»Das kaiserliche Heer stürmte die Breitenburg am 29. September anno 1627.« Rantzau hielt kurz inne, er hatte die Schlacht um den Familiensitz nicht selbst miterlebt, dennoch hatte sich das Datum unauslöschlich in seine Erinnerung eingebrannt. »Das Torhaus wurde gesprengt und die Soldaten ermordeten jeden, der sich ihnen in den Weg stellte. Dann verwüsteten sie das Gelände und plünderten die Familienschätze. Die Bücher meiner Vorfahren sind über ganz Europa verteilt.«
»Die Schrecken unserer Zeit …« Der Kanzler schluckte und wischte sich mit seinem Ärmel über die Stirn, er schwitzte. Sein Blick wanderte noch einmal durch das Kabinett und blieb an dem Wappen der Rantzaus hängen, das über dem Türsturz prangte.
»Eine stolze Familie …«
»Der Stolz treibt uns an.« Rantzau räusperte sich, etwas steckte in seiner Kehle. Er konnte nichts
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